Süddeutsche Zeitung

Ebola in Westafrika:Jede zehnte Infektion trifft einen Helfer

Als beispiellos bezeichnet die WHO den Ebola-Ausbruch in Westafrika. Mit 100 Millionen Dollar will die Weltgesundheitsorganisation die Ausbreitung des tödlichen Virus stoppen. Besonders Helfer sind gefährdet.

  • Etwa jeder zehnte der mittlerweile 1323 bestätigten und vermuteten Fälle von Ebola betrifft einen Helfer.
  • Zwei in Westafrika an Ebola erkrankte Amerikaner werden laut Medienberichten in die USA ausgeflogen. Bisher sind der Epidemie mehr als 720 Menschen zum Opfer gefallen.
  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) legt ein 100-Millionen-Dollar-Programm zur Bekämpfung der Ebola-Seuche in Westafrika auf.
  • Die USA geben eine Reisewarnung für Sierra Leone, Liberia und Guinea heraus.

Helfer sind besonders gefährdet

Während sich das Infektionsgeschehen allmählich auch in die Städte der betroffenen afrikanischen Staaten Guinea, Sierra Leone und Liberia verlagert, steht das medizinische Personal unter doppeltem Druck: Einerseits müssen sie den Schwerkranken nach Kräften helfen, auf der anderen Seite tragen sie durch den engen Kontakt mit den Patienten ein besonders hohes Risiko, sich selbst mit dem gefährlichen Virus zu infizieren.

Etwa jeder zehnte der mittlerweile 1323 bestätigten und vermuteten Fälle von Ebola betrifft einen Mitarbeiter der gesundheitlichen Versorgung - also Krankenschwestern, Pfleger, Freiwillige. Selbst Ärzte, die am besten geschult sein sollten für den Umgang mit hochansteckenden Patienten, haben sich bereits infiziert. Am vergangenen Dienstag starb einer der qualifiziertesten Ärzte Sierra Leones, Sheikh Umar Khan, an der Krankheit. Der Mediziner soll mehr als 100 Ebola-Patienten das Leben gerettet haben. Wie Khan sich ansteckte, ist nicht bekannt.

Für die meisten medizinischen Helfer gilt, dass vor allem der frühe Kontakt mit Patienten während einer Epidemie gefährlich ist: Wie ein Sprecher von Ärzte ohne Grenzen erklärte, wüssten die Mitarbeiter zu Beginn des Seuchengeschehens oft nicht, dass mit Beschwerden vorstellige Patienten einen potenziell lebensgefährlichen und hochansteckenden Erreger in sich tragen.

In allgemeinmedizinisch ausgerichteten Ambulanzen ist eine Ansteckung am wahrscheinlichsten, weil die Helfer die Patienten dort am ehesten berühren. Dagegen verfügen westliche Hilfsorganisationen über Mittel und über detaillierte Hygieneprotokolle, die das Infektionsrisiko fast auf Null senken können. Eine Strategie, die zumindest bei den Ärzten ohne Grenzen erfolgreich ist. "Es hat bei unseren Mitarbeitern bisher keine Ebolafälle gegeben", sagte ein Sprecher der Süddeutschen Zeitung am Freitag. Die Organisation wies aber auch darauf hin, dass die Unterstützung vieler lokaler Helfer, sei es bezogen auf die Bildung, auf das Material oder einfach auf die physische Kraft, unzureichend sei und viele Infektionen eine Folge dieses Mangels seien.

Erkrankte US-Bürger ausgeflogen

Zwei in Westafrika an Ebola erkrankte US-Bürger werden Medienberichten zufolge zur Behandlung in die Vereinigten Staaten ausgeflogen. Die Frau und der Mann seien in einem entsprechend ausgestatteten Charterflugzeug unterwegs nach Georgia. Mindestens einer der beiden Patienten, die wohl in Liberia für eine Hilfsorganisation tätig waren, soll in der Isolierstation des Emory University Hospitals behandelt werden. Das Klinikum im Großraum Atlanta liegt in günstiger Nähe zur Zentrale der US-Seuchenbehörde CDC und ist laut dem Lokalsender WSB-TV eine von landesweit nur vier Einrichtungen, die für einen solchen Fall ausgerüstet sind. Die beiden Patienten seien in einem ernsten Zustand, aber stabil, heißt es.

Sofortprogramm der WHO über 100 Millionen Dollar

Im Kampf gegen die Ebola-Epidemie wollen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und westafrikanische Staaten ein Sofortprogramm in Höhe von 100 Millionen Dollar (74,8 Millionen Euro) auflegen.

"Das Ausmaß des Ebola-Ausbruchs und die damit verbundenen Risiken erfordern, dass die WHO und die betroffenen Länder ihrer Antwort eine neue Qualität geben", sagte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan. Der gegenwärtige Ebola-Ausbruch in Westafrika sei beispiellos, warnte Chan.

Die betroffenen Regionen müssten finanziell und durch Fachleute stärker unterstützt werden. Dringend benötigt würden vor allem Seuchenfachleute, Ärzte und Krankenschwestern. Auch Logistikfachleute würden gesucht, appellierte Chan an die Staatengemeinschaft. Insgesamt müsse das Helferkontingent dringend um einige Hundert Experten aufgestockt werden.

Auf einem Sondergipfel in Conakry, der Hauptstadt Guineas, beriet Chan gemeinsam mit den Staatschefs von Guinea, Liberia und Sierra Leone am Freitag über das Notprogramm. Weltweit wächst die Sorge vor der Verbreitung des Virus. Mithilfe des Programms sollen die Grenzkontrollen in der Region verschärft, Erkrankte früher identifiziert und systematische Behandlungen garantiert werden. Obwohl die Elfenbeinküste nicht betroffen ist, nahm sie als Mitglied der regionalen Wirtschaftsorganisation Mano-Fluss-Union ebenfalls an dem Treffen in Conakry teil.

Was ist Ebola?

Das Ebola-Virus löst hämorrhagisches Fieber aus, das in in 60 bis 90 Prozent der Fälle zum Tod führt. Medikamente dagegen gibt es nicht, doch steigert eine frühzeitige Behandlung die Überlebenschancen. Von Mensch zu Mensch überträgt sich das Virus durch Körperflüssigkeiten.

In Westafrika breitet sich seit Monaten ein besonders aggressiver Ebola-Stamm aus. In den betroffenen Ländern Liberia, Guinea und Sierra Leone haben sich nach WHO-Angaben mehr als 1300 Menschen infiziert, 729 von ihnen überlebten die Infektion nicht. Auch die Behörden in Nigeria haben einen Todesfall gemeldet, wobei Ebola noch nicht eindeutig als Ursache bestätigt wurde.

Bisherige Maßnahmen

Die betroffenen Länder haben ihren Kampf gegen das tödliche Virus massiv verschärft. Sierra Leone rief am Donnerstag den nationalen Notstand aus. Das Land ist am stärksten von der Epidemie betroffen. Sierra Leones Präsident Ernest Bai Koroma will die von dem Virus betroffenen Gebiete unter Quarantäne stellen und öffentliche Versammlungen untersagen.

Das Nachbarland Liberia hatte schon am Mittwochabend scharfe Einreisekontrollen für Menschen aus den von der Seuche betroffenen Gebieten verhängt. Liberias Staatsführung ließ außerdem alle Schulen vorerst schließen und schickte entbehrliche Staatsbedienstete in einen 30-tägigen Zwangsurlaub. Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf erklärte den Freitag zum Ferientag, an dem alle öffentlichen Gebäude desinfiziert würden. Außerdem sollen Ebola-Tote künftig verbrannt und nicht mehr begraben werden.

Die Bundesregierung rät inzwischen von verzichtbaren Reisen in die betroffenen Länder ab. Auch die USA haben eine Reisewarnung für die drei Staaten herausgegeben. Als erste internationale Fluggesellschaft strich die Airline Emirates alle Flüge in die betroffene Region. Mehrere afrikanische Länder wie Kenia, Äthiopien und die Demokratische Republik Kongo erhöhten die Sicherheitsvorkehrungen an ihren Grenzen und Flughäfen. Die philippinischen Behörden kündigten an, alleReisende aus der Region einen Monat lang täglichen medizinischen Kontrollen zu unterwerfen. Die libanesischen Behörden wollen künftig keine Arbeitserlaubnisse mehr für Bürger der betroffenen Staaten ausgeben. Selbst die Seychellen sagten ein für Samstag geplantes Fußballmatch gegen Sierra Leone ab.

Linktipp:

Was Ebola so gefährlich macht, wie bedrohlich das Virus für Touristen ist: wichtige Fragen und Antworten im Überblick.

Aktualisierte Reisehinweise des Auswärtigen Amtes zu Liberia, Guinea und Sierra Leone.

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