Ebola-Epidemie:Auch Angst ist ansteckend

Ebola-Epidemie: Rettungskräfte in Schutzanzügen auf dem Weg in die Wohnung einer spanischen Krankenschwester, die sich in Madrid mit Ebola angesteckt hat.

Rettungskräfte in Schutzanzügen auf dem Weg in die Wohnung einer spanischen Krankenschwester, die sich in Madrid mit Ebola angesteckt hat.

(Foto: AP)

Ebola wird in Europa nie eine Epidemie auslösen. Aber ein begrenzter Ausbruch ist nicht auszuschließen. Darauf muss sich Deutschland mit einem Notfall-Plan vorbereiten - auch aus psychologischen Gründen.

Von Alexander Kekulé

Es ist Zeit, zwei unbequeme Wahrheiten auszusprechen: Ebola ist auch für Europa eine Gefahr. Und nur Europa kann dafür sorgen, dass die Seuche in Westafrika ausgemerzt wird.

Die Ebola-Fälle in Dallas und Madrid haben gezeigt, wie das Drehbuch eines Ausbruchs aussieht. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC hatte seit Wochen alle Ärzte vor Ebola gewarnt. Sogar in öffentlichen Gebäuden mahnten bunte Poster, dass Reisende aus Westafrika bei Fieber einen Arzt aufsuchen sollen. Trotzdem schickte eine Klinik in Dallas den fiebernden, hoch ansteckenden Liberianer erst einmal nach Hause. Auch die Krankenschwester, die in Madrid einen Ebola-Kranken betreut hatte, kannte die Symptome der Seuche genau. Doch meldete sie sich erst nach fünf Tagen in einem Krankenhaus. Dass sie die tödliche Infektion zunächst nicht wahrhaben wollte, ist nur allzu menschlich.

Zur Person

Alexander Kekulé, 55, ist Professor für Virologie und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle (Saale). Sein Spezialgebiet ist die Erforschung von Epidemien.

Mit weiteren Ebola-Fällen in Europa muss jederzeit gerechnet werden. Dabei stellt ein Entweichen des Virus aus der Sonderisolierstation, wie es in Madrid geschah, das geringste Risiko dar; in Deutschland ist das dank perfektionierter Sicherheitstechnik nahezu ausgeschlossen. Doch an den Flughäfen stehen die Tore für das Virus weit offen. Aus Guinea, Liberia und Sierra Leone heben täglich Maschinen nach Brüssel, Paris oder London ab. Auch mehrere afrikanische Länder mit Anschlussflügen nach Europa werden aus dem Epidemiegebiet angeflogen. Eine Fieberkontrolle bei der Einreise, wie sie derzeit von der EU erwogen wird, ist sinnlos, weil zwischen Ansteckung und Auftreten der Symptome bis zu 21 Tage vergehen.

Wenige Sonderisolierstationen in Deutschland

Es kommt also darauf an, eine eingeschleppte Infektion möglichst schnell zu erkennen. Nach Deutschland zurückkehrende Helfer und Journalisten wissen, was sie zu tun haben, wenn sich Symptome zeigen. Aber werden sie sich daran auch halten? Dass jemand lieber an eine Grippe glaubt als an Ebola, ist nachvollziehbar. Deshalb muss die Frage nach Verbindungen zu Westafrika in diesem Herbst bei jedem unklaren Fieber gestellt werden. Doch wissen das unsere Ärzte?

Um sich auszubreiten, nutzen Mikroben die menschlichen Schwächen aus. Das war bei Pest und Cholera so, das gilt heute für Aids und Ebola. Uns darauf zu verlassen, dass jeder importierte Fall sofort erkannt wird, bevor es zu weiteren Infektionen kommt, wäre ein fataler Fehler. In Nigeria verursachte ein einziger Ebola-Kranker einen Ausbruch mit 20 Infizierten und acht Toten. Um das Virus wieder einzufangen, mussten rund 900 Kontaktpersonen ermittelt und 18 500 Befragungen durchgeführt werden.

Ebola wird in Europa nie eine Epidemie auslösen, dafür sind wir zu gut vorbereitet. Ein begrenzter Ausbruch mit zehn oder 20 Fällen ist jedoch nicht auszuschließen. Einen Plan, was in diesem Fall zu tun ist, gibt es nicht. Die sieben Sonderisolierstationen (in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Leipzig, München und Stuttgart) könnten theoretisch bis zu 50 Patienten behandeln. Praktisch ist allerdings nur etwa die Hälfte der Betten sofort verfügbar. Weil die teuren Spezialeinrichtungen nie ausgelastet waren, haben die Klinikleitungen Personal abgezogen und die Isolierbetten für andere Patienten verplant. Die Behandlungszentren in Würzburg und Saarbrücken wurden in diesem Jahr stillgelegt, weil die Länder nicht mehr zahlen wollten.

Die Gefahr für Europa ist nicht gebannt

Doch das Problem ist nicht die Kapazität der Sonderisolierstationen, sondern ihre geografische Verteilung. In Berlin wären in kurzer Zeit bis zu 24 Isolierbetten verfügbar, in ganz Nordrhein-Westfalen gibt es nur drei und in anderen Bundesländern gar keine Behandlungsplätze für Ebola-Patienten. Mit ungefähr einem Dutzend Spezialfahrzeugen für hoch infektiöse Patienten (die genaue Zahl ist erstaunlicherweise nicht bekannt), das über ganz Deutschland verstreut ist, könnten bei einem Ausbruch nicht alle Patienten in der Republik verteilt werden. Auch für eine größere Zahl von Quarantänen, zum Beispiel beim Auftreten von Ebola in einer Gemeinschaftsunterkunft, stehen keine geeigneten Einrichtungen zur Verfügung.

Ein begrenzter Ebola-Ausbruch ist also in Deutschland nicht auszuschließen. Dagegen behauptet die Bundesregierung in einer Mitteilung vom 7. Oktober: "Eine Gefährdung der Bevölkerung in Deutschland besteht nicht." Dabei wäre eine konsequente Vorsorge auch aus psychologischen Gründen wichtig. Denn viel schneller als das Virus verbreitet sich die Angst vor ihm. Am New Yorker Flughafen streiken die Reinigungskräfte aus Angst vor der Seuche. In Madrid schlug eine zornige Menge auf Behördenfahrzeuge ein, weil der Hund der Ebola-Patientin eingeschläfert wurde. Fast täglich führen Fehlalarme zu grundlosen Absperrungen, Quarantänen und öffentlicher Hysterie. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis rechte Gruppen eine angebliche Ebola-Gefahr durch Flüchtlinge aus Afrika beschwören. Die Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehr und der Rettungsdienste brauchen klare Anweisungen, was sie bei einem - echten oder irrationalen - Ebola-Verdacht zu tun haben.

Ebola-Epidemie: Zwei Isolierstationen wurden erst in diesem Jahr stillgelegt - niemand wollte für sie zahlen, beklagt Alexander Kekulé.

Zwei Isolierstationen wurden erst in diesem Jahr stillgelegt - niemand wollte für sie zahlen, beklagt Alexander Kekulé.

(Foto: imago stock&people)

Solange die Seuche in Westafrika wütet, ist auch für Europa die Gefahr nicht gebannt. Aus Guinea, Liberia oder Sierra Leone wird es wohl kein Infizierter auf dem Landweg an die Mittelmeerküste schaffen. Eine Ausbreitung der Epidemie in den Maghreb muss jedoch mit allen Mitteln verhindert werden.

Ohne die Hilfe Europas, soviel steht fest, werden es die betroffenen Länder nicht schaffen. Die USA schicken Soldaten nach Liberia, um den staatlichen Zusammenbruch zu verhindern und Behandlungszentren zu errichten. Doch ohne medizinisches Personal wird keines der betroffenen Länder zu retten sein.

Die deutsche Hilfe hat, nach langem Zögern, endlich Fahrt aufgenommen. Die Ernennung des erfahrenen Afrika-Experten Walter Lindner zum Ebola-Beauftragten lässt hoffen, dass das Hin und Her zwischen den Ministerien ein Ende hat. Das Rote Kreuz soll Behandlungsstationen nach dem Vorbild von Ärzte ohne Grenzen errichten. Allerdings haben sich auch dort bereits mehrere Helfer mit Ebola infiziert.

Deutschland wird deshalb ein eigenes Sicherheitskonzept entwickeln müssen, um die Helfer vor Ansteckung zu schützen. Damit die Hilfe nicht zum Desaster wird, muss auch garantiert sein, dass die Helfer im Fall einer Infektion zurückgeholt werden. Der Einsatz, für den die Regierung nun Freiwillige sucht, ist alternativlos, wenn die Gefährdung Europas beendet werden soll. Für die Helfer ist es trotz allem lebensgefährlich. Auch das ist eine unbequeme Wahrheit, die man nicht verschweigen darf.

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