Ebola:Der Preis des Überlebens

Ebola: Auch er hat Ebola überlebt: Sabiti Mugerwa aus Uganda.

Auch er hat Ebola überlebt: Sabiti Mugerwa aus Uganda.

(Foto: Isaac Kasamani/AFP)

Wer in Westafrika die Infektion mit Ebola überstanden hat, steht häufig vor dem Nichts. Seine Familie meidet ihn, die Habe ist verbrannt, und den Körper plagen rätselhafte Spätfolgen.

Von Kai Kupferschmidt

Als Solomon Alpha nach Hause kam, war alles anders. Seine Habseligkeiten waren verbrannt worden, Freunde und Familie mieden ihn. "Selbst meine Brüder hatten Angst vor mir", sagt er. Der 35-jährige Krankenpfleger aus Sierra Leone hatte sich im Krankenhaus mit Ebola angesteckt. Er wurde behandelt und überlebte, doch eine Rückkehr in sein altes Leben war kaum möglich. Heute ist er wieder in einem Ebolazentrum und pflegt Menschen, die so schwer krank sind, wie er selbst es vor einigen Monaten war. Was er machen wird, wenn Ebola einmal aus seinem Land verschwindet, weiß er nicht.

Auch Foday Gallah hat Ebola überlebt. Der Krankenwagenfahrer steckte sich im August des vergangenen Jahres in Liberias Hauptstadt Monrovia an, als er einen kleinen Jungen, den letzten Überlebenden einer Familie, in ein Behandlungszentrum brachte. Heute leidet Gallah unter chronischen Kopfschmerzen. Er hat Mühe, sich an viele Dinge zu erinnern. Sein linkes Knie schmerzt, seine Augen brennen und manchmal sieht er doppelt.

Der Kampf gegen Ebola ist noch nicht vorüber. Nicht für Hunderte Ärzte, Pfleger und Helfer, die in Westafrika nach wie vor versuchen, das Virus zurückzudrängen. In Guinea und Sierra Leone ist die Krankheit noch immer nicht eingedämmt und in Liberia wurden gerade zwei neue Erkrankungsfälle gemeldet, nachdem das Land Anfang Mai für ebolafrei erklärt worden war.

Nicht vorbei ist der Kampf gegen Ebola aber auch für Menschen wie Alpha, Gallah und die mehr als 15 000 anderen, die die Krankheit überlebt haben. Sie sind dem Tod entronnen und kämpfen um ein Leben nach dem Überleben. Sie ringen mit Spätfolgen einer katastrophalen Krankheit, mit Ausgrenzung und Stigmatisierung, mit ihrer Erinnerung. "Einige haben ihren Job verloren, sie sind aus ihrem Zuhause vertrieben worden, ihre Verwandten haben sie verlassen", sagt Mosoka Fallah.

Fallah leitet eine große Studie in Liberia, in der 1500 Überlebende jedes halbe Jahr untersucht werden sollen, fünf Jahre lang. Das Ziel ist, zumindest die körperlichen Folgen von Ebola besser zu verstehen. Bisher ist wenig darüber bekannt. Im April erschien im Fachblatt Lancet eine Studie von Überlebenden eines Ebola-Ausbruchs in Uganda 2007.

Die Forscher waren mehr als zwei Jahre später in das ostafrikanische Land zurückgekehrt, und hatten 49 Überlebende mit 200 Menschen verglichen, die nicht erkrankt waren. Ihr Schluss: Menschen, die Ebola überlebt haben, leiden mit höherer Wahrscheinlichkeit unter Hörverlust, Sehproblemen, Schlafstörungen und anderen Symptomen. Das Gleiche scheint nun in Westafrika zu passieren. Eine Umfrage unter Überlebenden habe ergeben, dass jeder Dritte von ihnen unter Müdigkeit leide und jeder Fünfte unter Hörproblemen, sagt Fallah.

Die Ex-Patienten leiden oft unter Augenproblemen - womöglich nistet das Virus sich hier ein

Mindestens drei Erklärungen seien denkbar, sagt Danielle Clark, eine amerikanische Epidemiologin von der US-Marine, die die Studie in Uganda geleitet hat. Die Symptome könnten eine Folge von schweren Schäden sein, die das Virus Zellen und Organen zugefügt hat. Die Probleme könnten aber auch durch das Immunsystem verursacht worden sein, ein Kollateralschaden im Kampf gegen das Virus. Oder das Immunsystem hat sich nun gegen den eigenen Körper gerichtet. "Wenn es körpereigene Moleküle gibt, die den Strukturen auf der Virusoberfläche ähneln, kommt das Immunsystem durcheinander und beginnt, diese zu bekämpfen", sagt Clark.

Das Auge scheint bei Ebola-Überlebenden besonders häufig betroffen zu sein. "Das sind nicht nur kleine Unannehmlichkeiten, das geht bis zur Erblindung", sagt Daniel Bausch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. Ein Grund könnte sein, dass das Auge normalerweise nicht zum Patrouille-Gebiet des Immunsystems gehört, ja geradezu von diesem abgeschirmt ist. Diese Barriere bricht bei Ebola möglicherweise zusammen, sodass Immunzellen das Sehorgan angreifen. Bleibt die Barriere hingegen bestehen, könnte sie es gerade dem Virus erlauben, sich im Auge zu verstecken. Tatsächlich wurde beim US-amerikanischen Arzt und Ebola-Überlebenden Ian Crozier das Virus im Auge gefunden, als es schon seit mehr als zwei Monaten aus dem Blut verschwunden und er als geheilt entlassen worden war.

Könnten einige Überlebende also noch andere Menschen anstecken? Das ist eine der drängendsten Fragen. Es ist zum Beispiel bekannt, dass das Ebola-Virus monatelang in der Samenflüssigkeit von männlichen Überlebenden überdauern kann. In einem Fall wurde das Virus kürzlich noch 199 Tage nach Ausbruch der Krankheit nachgewiesen. Die WHO empfiehlt Überlebenden deshalb, mindestens sechs Monate lang Kondome zu benutzen. Es komme aber offenbar nur selten zu sexuellen Übertragungen von Ebola, sagt Bausch. Doch ein einziger Fall könnte einen neuen Ausbruch auslösen. "Wir müssen darüber nicht in Panik verfallen, aber wir sollten es auf dem Schirm haben."

Um die Risiken besser zu verstehen, sollen in der Studie in Liberia Blut, Schweiß, Tränen sowie Samen- und Vaginalflüssigkeit untersucht werden. Außerdem sollen für jeden Überlebenden bis zu vier enge Kontakte getestet werden. So würden Übertragungen auch dann erkannt, wenn sie unauffällig verlaufen. Das französische Nationale Institut für Gesundheit und medizinische Forschung hat in Guinea bereits mit einer ähnlichen Studie begonnen. Dort sollen 450 Überlebende und ihre Kontakte alle drei Monate untersucht werden. Die Studie soll auch auf mögliche psychische Krankheiten achten: posttraumatische Belastungsstörung, Ängste, Depressionen. "Diese Leiden kommen bei Überlebenden vermutlich sehr häufig vor", sagt Bausch.

Zu all dem kommt noch die Stigmatisierung, das Gefühl der Umgebung, dass die Überlebenden irgendwie mit dem Erreger verbunden sind. Dabei haben gerade sie meist viel geleistet im Kampf gegen das Virus. Viele von ihnen haben sich bei dem Versuch angesteckt, anderen Kranken zu helfen oder sie zu pflegen. Hunderte von ihnen waren Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern. Sie haben Furchtbares durchlebt, Freunde und Familienmitglieder verloren. Kaum genesen, sind einige in den Behandlungszentren geblieben, um Kranke zu pflegen und Sterbende zu trösten, häufig ohne Schutzkleidung und ohne Garantie, dass sie selbst wirklich immun sind. Diese Menschen haben überlebt und mit ihnen die Angst der anderen vor dem Virus.

Die Studien könnten helfen, den Ängsten entgegenzutreten, hofft Foday Gallah. Doch er hat auch Angst vor dem, was die Forscher noch finden könnten, was das Virus für den Rest seines Lebens bedeutet. "Wir haben keine Ahnung, wie unser Leben die nächsten fünf, sechs oder zehn Jahre aussehen wird", sagt der frühere Krankenwagenfahrer. Er will vor allem bald wieder arbeiten gehen. "Wenn ich beschäftigt bin, fühle ich mich wenigstens okay", sagt er. "Wenn ich allein herumsitze, wandern meine Gedanken nur zurück zu den schrecklichen Dingen, die ich erlebt habe."

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