Süddeutsche Zeitung

Ebola:Ansteckung nach mehreren Jahren

Guinea kämpft erneut mit Ebola. Genomanalysen deuten darauf hin, dass ein Überlebender der von 2013 bis 2016 währenden Epidemie den aktuellen Ausbruch ausgelöst hat.

Von Berit Uhlmann

Es weckte schlimme Erinnerungen, als Mitte Februar ein neuer Ebola-Ausbruch in Guinea bekannt wurde. In dem westafrikanischen Land hatte 2013 die schlimmste Ebola-Epidemie der Geschichte begonnen. In einem Dorf im Südosten des Landes - so das plausibelste Szenario - sprang der Erreger von einer Fledermaus auf ein spielendes Kind über und verbreitete sich dann lange unbemerkt vor allem in Guinea, Liberia und Sierra Leone. Drei Jahre später stand die Region vor einer erschütternden Bilanz: Mehr als 28 000 Menschen waren erkrankt, etwa 11 000 gestorben.

Nun gab es erstmals seit der großen Epidemie neue Fälle des Ebolafiebers in Guinea - und aktuelle Erkenntnisse deuten daraufhin, dass es nicht nur einen gefühlten Zusammenhang zwischen beiden Ausbrüchen gibt. Noch nicht wissenschaftlich publizierte Genomanalysen legen nahe, dass das derzeit zirkulierende Virus von einem Überlebenden der über ein halbes Jahrzehnt zurückliegenden Epidemie stammt.

Das Virus versteckt sich in Spermien, Muttermilch und Augenkammerwasser

Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern hatten das Erbgut aus zwei aktuellen Virusproben sequenziert und mit Genom-Daten aus dem früheren Ausbruch verglichen. Unerwarteterweise ähneln sich die Sequenzen so sehr, dass die Forscher es für unwahrscheinlich halten, dass der aktuell zirkulierende Erreger erneut von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Die Ergebnisse sprechen eher dafür, dass das Virus aus dem früheren Ausbruch stammt. Nur wo war es in der Zwischenzeit?

Dass sich das Virus in all der Zeit unbemerkt verbreitete, halten die Wissenschaftler für unwahrscheinlich. Ausgehend von der Veränderungsrate der früheren Epidemie hätte der Erreger in dem Fall bis heute etwa 110 Mutationen ansammeln müssen. Tatsächlich wurden in dem einem Genom nur zwölf, im anderen 13 Veränderungen festgestellt. Die Forscher vermuten daher, dass das Virus seither im Körper eines Überlebenden überdauert hat und dann - vermutlich durch sexuellen Kontakt - übertragen wurde und den neuen Ausbruch auslöste.

Es ist bekannt, dass Ebolaviren in der Samenflüssigkeit längere Zeit überstehen. So wiesen Wissenschaftler in einer vor Kurzem veröffentlichten Studie bei einem ehemaligen Patienten Ebola-Erreger noch 696 Tage nach dessen Genesung nach. Das internationale Forscherteam hatte das Schicksal von 220 männlichen Ebola-Überlebenden aus Sierra Leone verfolgt. Ein halbes Jahr nach der Klinik-Entlassung ließen sich in den Spermien von 75 Prozent der Männer noch Viren nachweisen. Nach 200 Tagen fand man noch bei jedem zweiten Studienteilnehmer Ebola-Erreger. Nach Ablauf eines Jahres sank die Zahl der positiven Funde allerdings auf unter zehn Prozent.

Es ist ebenfalls dokumentiert, dass die Viren in einzelnen Fällen auch lange infektiös bleiben können. In Guinea gab ein Ebola-Überlebender den Erreger noch 470 Tage nach Erkrankungsbeginn weiter. Auch in anderen Körperflüssigkeiten wie Muttermilch oder Augenkammerwasser kann das Virus für längere Zeiten nachgewiesen werden. Doch dass die Viren womöglich nach fünf bis sieben Jahren noch infektiös sind, war unerwartet.

"Ebola-Überlebende sind keine Bedrohung für ihre Familien oder Umgebungen"

Das wäre wahrscheinlich der längste bekannte Abstand zwischen zwei zusammenhängenden Ebola-Ausbrüchen, sagte Mike Ryan, Notfallkoordinator der Weltgesundheitsorganisation WHO am Freitagabend in der Pressekonferenz der Behörde. Er verweist jedoch darauf, dass nur "sehr, sehr wenige Menschen" Ebola noch nach so langer Zeit übertragen. "Ebola-Überlebende sind keine Bedrohung für ihre Familien oder Umgebungen", betonte er und warnte davor, dass die Erkenntnisse zu Stigmatisierungen der Betroffenen führen könnten. "Diese Menschen haben die Hölle erlebt", sagte Ryan: "Wir schulden ihnen, sie zu unterstützen." Bislang empfiehlt die WHO Überlebenden der Tropenkrankheit, ein Jahr lang keinen ungeschützten Sex zu praktizieren.

Bruce Aylward, WHO-Berater, der den Kampf gegen die vergangene Ebola-Epidemie in Westafrika leitete, warnte davor, die neuen Daten überzubewerten. Sie müssen erst noch bestätigt werden. Das aktuelle Vorgehen gegen den Ausbruch in Guinea sei davon zunächst unberührt. "Die Menschen in Westafrika wissen, was sie tun, und sie haben die nötigen Mittel", sagte er. Neben Quarantäne und Isolation sind Impfstoffe das mächtigste Werkzeug gegen die Seuche. Sie werden nicht flächendeckend, sondern lediglich im Umkreis von Ausbruchsherden eingesetzt. Insgesamt wurden in Guinea und in einem weiteren, unabhängigen Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo bisher etwa 4700 Impfdosen verabreicht.

In Guinea sind nach der jüngsten WHO-Statistik 18 Menschen erkrankt und neun gestorben. Der erste bekannt gewordene Fall war der einer 51-jährige Krankenschwester, die die Erkrankung nicht überlebte. Bei ihrer Beerdigung steckten sich Familienmitglieder an.

Auch im Kongo ist das Ebola-Fieber im Februar erneut ausgebrochen, acht Monate nachdem ein zwei Jahre währenden Ausbruch dort im vergangenen Sommer mit 3480 Erkrankten und 2300 Toten zu Ende gegangen war. Elf Menschen sind in den letzten Wochen erkrankt und vier gestorben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5236269
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.