Dresden (dpa) - Nach dem Entsetzen über den Fackelaufmarsch vor dem Privathaus von Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) bereitet sich die Polizei in Dresden auf einen Großeinsatz vor. Am Montag rechnen die Einsatzkräfte mit einem Protest von Gegnern der Corona-Politik vor dem Sächsischen Landtag. Der Grund: Das Parlament will am Mittag (13.00 Uhr) über die Feststellung der epidemischen Lage im Freistaat entscheiden.
Insbesondere in sozialen Netzwerken werde zu dem Protest aufgerufen, hatte die Polizei am Freitag mitgeteilt. „Auch Extremisten mobilisieren für einen Protest vor dem Sächsischen Landtag. Unsere Gefahrenprognose, Grundlage unserer Einsatztaktik, ist damit eine ganz andere als an den vergangen Montagen“, sagte Polizeipräsident Jörg Kubiessa. Im Ergebnis enge das den Ermessensspielraum deutlich ein. „Eine härtere Gangart der Polizei wird die logische Konsequenz sein - natürlich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl unserer Mittel“, sagte der Polizeipräsident. Wasserwerfer sollen im Stadtzentrum bereit stehen.
Die Polizei in dem Bundesland schritt am Sonntagabend in mehreren Städten erneut gegen nicht genehmigte Kundgebungen mit Hunderten Gegnern der Corona-Politik ein. Bereits am Wochenende hatte es an verschiedenen Orten Demonstrationen gegeben, obwohl die Corona-Notfallverordnung nur stationäre Versammlungen mit bis zu zehn Teilnehmern erlaubt.
Aufsehen erregte insbesondere ein Protest von 30 Gegnern der Corona-Politik, die sich am Freitagabend lautstark und mit Fackeln vor dem Haus von Ministerin Köpping versammelt hatten. Die Polizei erstattete Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und prüft Verstöße gegen die Corona-Verordnung. Politiker verurteilten die Versammlung parteiübergreifend.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schrieb auf Twitter: „Wir treten allen Kräften entgegen, die einschüchtern wollen.“ Was Köpping passiert sei, gehe alle Sachsen an. Landesinnenminister Roland Wöller (CDU) sagte „Bild“ (Montag): „Ich fordere Schnellprozesse, um Verstöße gegen die Corona-Schutzmaßnahmen sofort und rigoros zu ahnden! Sowas darf nicht erst Wochen später passieren.“
Thüringens Innenminister Georg Maier zeigte sich angesichts der jüngsten Proteste in Thüringen, aber auch in Sachsen besorgt. „Das ist grundsätzlich besorgniserregend“, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). Die Proteste würden „teilweise von Rechtsextremisten organisiert“, die zuweilen regelrecht „euphorisch“ seien.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte „Welt“, die Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsrecht sei ein Anfang. Immerhin sei ein Großteil der Personalien der rechtsextremen Teilnehmer aufgenommen worden. „In Kanada wird gegen solche Proteste übrigens strafschärfend vorgegangen. Bei weiteren Vorfällen dieser Art muss man möglicherweise auch bei uns den Strafrahmen nach oben anpassen.“
Sachsens Landesregierung versucht seit Wochen, die explodierenden Fallzahlen im Freistaat mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens in den Griff zu bekommen. Sachsen hat mit Abstand die höchste Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland, zuletzt pendelte sich die Inzidenz bei Werten um die 1200 ein.
Die Zahlen könnten sich sogar verdoppeln und bis auf Werte von 2800 steigen, befürchtet die Landesregierung. „Bei sich fortsetzender Dynamik kann angenommen werden, dass die Inzidenz bis Ende Dezember bis circa 2800 ansteigen wird, bis sie dann bis Ende Januar auf das jetzige Niveau wieder abfallen wird“, heißt es im Antrag der Regierung für die Sondersitzung des Landtages am Montag.
Das Parlament soll dann über die Feststellung der epidemischen Lage im Freistaat entscheiden. Sie soll Rechtssicherheit für eine Fortsetzung bestehender Schutzmaßnahmen und ihre mögliche Erweiterung erlangen. Die aktuelle Notfallverordnung gilt bis 12. Dezember. Sie schreibt bereits stärkere Einschränkungen als in vielen anderen Bundesländern vor. Die sächsische Regierung schloss eine nochmalige Verschärfung nicht aus. Zunächst will sie aber die Wirkung der bisher verhängten Kontaktreduzierungen und die Vorgaben des neuen Infektionsschutzgesetzes abwarten.
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