Diätwahn:Lebensbedrohliche Radikalkur

Nach strikter einmonatiger Atkins-Diät muss eine 40-jährige New Yorkerin auf die Intensivstation. Sie hatte in der Zeit auf jegliche Kohlenhydrate verzichtet - mit fatalen Folgen für ihren Stoffwechsel.

Werner Bartens

Die 40-Jährige aus New York hatte sich mehrmals täglich übergeben müssen. Zur Übelkeit kam Atemnot, so dass die übergewichtige Frau ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Zunächst konnten sich die Ärzte die Beschwerden nicht erklären. Ein Labortest in der Notaufnahme zeigte jedoch die Ursache für den hilflosen Zustand der Frau: Ihr Blut war vollkommen übersäuert.

Der Fall der zuvor gesunden 40-Jährigen, der in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Lancet beschrieben ist, alarmiert Ärzte wie Ernährungsexperten. Schließlich zeigt er, wohin exzessive Diäten führen können.

"Unsere Patientin ist wegen der Atkins-Diät lebensbedrohlich erkrankt", sagt der Mediziner Klaus-Dieter Lessnau. Einen Monat lang hatte sie nur Fleisch, Käse, Salat und Vitaminpräparate zu sich genommen. Die einseitige Kost hat Robert Atkins seit 1972 immer wieder zur raschen Gewichtsabnahme empfohlen.

Der Verzicht auf jegliche Kohlenhydrate in Form von Nudeln, Brot oder Reis ließ den Stoffwechsel der Frau lebensbedrohlich entgleisen, wie es Diabetiker in Notsituationen kennen. Zudem hatte sie durch einen Magen-Darm-Infekt viel Flüssigkeit verloren.

"Kohlenhydratarme Diäten sind alles andere als gesund"

Dass die Atkins-Diät schädlich sein kann, wissen Mediziner. "Die Komplikationen der Patientin sind zwar extrem", sagt Hans-Georg Joost, wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke, "Übergewichtige und Diabetiker sind diesen Risiken bei einseitiger Fleischmast aber verstärkt ausgesetzt."

"Kohlenhydratarme Diäten sind alles andere als gesund", sagen auch Lyn Steffen und Jennifer Nettleton von der Universität Minnesota. "Sie gehen mit Stoffwechselstörungen, Verstopfung oder Durchfall und Erschöpfung einher - um nur einige Nebenwirkungen zu nennen."

Wer vernünftig abnehmen will, solle sich ausgewogen und gesund ernähren und körperlich aktiv sein, empfehlen Steffen und Nettleton. Übergewichtige neigen jedoch immer wieder zu Radikalkuren: Die Patientin aus New York hatte in einem Monat neun Kilogramm abgenommen.

Nachdem sie auf der Intensivstation Natriumbikarbonat bekam, um die Säure abzupuffern, konnte sie nach vier Tagen entlassen werden.

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