Coronavirus:Können sich Ungeborene infizieren?

Schwangerschaft

Schwangere Frauen dürfen viele Medikamente nicht nehmen, weil sie ihrem Kind schaden könnten.

(Foto: Emmi Korhonen/dpa)

Ein Kind steckte sich möglicherweise während der Schwangerschaft mit Sars-CoV-2 an und zeigte danach neurologische Auffälligkeiten.

Von Berit Uhlmann

Der Start ins Leben war holprig. Der kleine Junge musste in der 36. Woche per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden, in den ersten Stunden brauchte er Hilfe beim Atmen, später entwickelte er einige neurologische Auffälligkeiten und wurde wieder und wieder untersucht. Dabei war das Baby gar nicht schwer krank, seine Ärzte vermuteten vielmehr, auf eine Besonderheit gestoßen zu sein: Es könnte sich bei dem Jungen um den ersten dokumentierten Fall eines Kindes handeln, das sich im Mutterleib mit dem Erreger von Covid-19 infiziert hat. Die Details veröffentlichte ein Team um den französischen Gynäkologen Alexandre Vivanti nun im Fachblatt Nature Communications.

Die Mutter war demnach in der 36. Schwangerschaftswoche mit Fieber und schwerem Husten in eine Klinik der Universität Paris-Saclay eingewiesen worden. Ein Test bestätigte den Verdacht: Sie hatte sich mit Sars-CoV-2 infiziert. Bis dahin war die Schwangerschaft problemlos verlaufen. Doch drei Tage später verschlechterten sich die Herztöne des Kindes, die Ärzte entschieden, das Baby per Kaiserschnitt zu holen.

Noch während oder unmittelbar nach dem Eingriff entnahmen die Mediziner Proben vom Fruchtwasser und der Plazenta sowie aus dem Blut, Bronchialsekret, der Nase und dem Rachen des Babys. Alle Proben waren positiv für Sars-CoV-2. Besonders hoch war die Viruslast in der Plazenta. Die Forscher schließen aus diesen Funden, dass die Übertragung über den Mutterkuchen erfolgt sei.

Es ist unwahrscheinlich, dass der Junge erst nach der Geburt Kontakt mit dem Virus hatte

Es ist nicht das erste Baby, das schon ganz früh in seinem Leben positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Aber in den anderen Fällen war nicht ausgeschlossen, dass sich das Kind während oder kurz nach der Geburt infiziert hatte. Im aktuellen Fall hatten die Mediziner den Jungen jedoch zunächst von seiner Mutter ferngehalten.

Mehrere unabhängige Experten halten es daher für naheliegend, dass die Infektion schon während der Schwangerschaft erfolgt ist. Raheela Khan, Professorin für Zellphysiologie an der Universität Nottingham sagt, die Studienergebnisse deuteten auf eine mögliche Mutter-Kind-Übertragung in der späten Schwangerschaft hin. Die Stärke der Studie sei, dass Sars-CoV-2 in mehreren verschiedenen Proben von Mutter und Kind nachgewiesen worden sei.

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Dagegen sagt Alexander Heazell, Geburtshelfer der University of Manchester: "Dieser Fallbericht bietet keinen starken Nachweis einer Übertragung von Sars-CoV-2 durch die Plazenta." Er verweist darauf, dass das Virus lediglich in der äußeren Schicht des Mutterkuchens gefunden wurde. Damit sei nicht bewiesen, dass das Virus auch durch die Plazenta hindurchgelangt sei.

Schwer sind auch die weiteren Entwicklungen in der französischen Klinik einzuschätzen. Am dritten Tag nach der Entbindung reagierte das Neugeborene plötzlich unruhig, es trank schlecht, seine Muskeln versteiften sich und es krampfte. Die Rückenmarksflüssigkeit zeigte ebenso wie Gehirnaufnahmen Auffälligkeiten, die die Forscher als Zeichen von Entzündungen deuteten. Da die Mediziner keine weiteren Erreger oder Hinweise auf andere Erkrankungen fanden, führten sie die neurologischen Symptome auf die Infektion mit dem Coronavirus zurück.

Dem kleinen Patienten geht es mittlerweile wieder gut

Marian Knight, Expertin für Kinder- und Müttergesundheit an der Universität Oxford, hält es dagegen auch für möglich, dass die Krankheit der Mutter und die Umstände der Geburt zu den Symptomen des Kindes beigetragen haben. Sie verweist darauf, dass mittlerweile viele Tausend Babys geboren wurden, deren Mütter während der Schwangerschaft mit dem Coronavirus infiziert waren. Doch nur bei etwa einem bis zwei Prozent der Kinder sei das Virus ebenfalls festgestellt worden. Die meisten der jungen Infizierten sind nach derzeitiger Erkenntnis nicht schwer erkrankt. Neurologische Symptome, die bei erwachsenen Covid-Patienten durchaus vorkommen können, sind bei Neugeborenen nicht typisch. Die französischen Autoren nennen nur einen weiteren Fall. Häufiger leiden die sehr jungen Patienten unter Lungenentzündungen oder unspezifischen Beschwerden. Einige Kinder können zu klein auf die Welt kommen, wenn die Mütter an Covid-19 erkrankt sind. Auch Frühgeburten sind nicht ausgeschlossen, wenn die Mütter schwer erkranken.

Wie gefährdet Schwangere sind, ist ebenfalls noch nicht sicher geklärt. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC warnte vor Kurzem davor, dass werdende Mütter einen schwereren Krankheitsverlauf erleiden könnten als Nicht-Schwangere. Sie berief sich auf Daten aus den USA, wonach Schwangere besonders häufig auf einer Intensivstation behandelt wurden.

Dagegen geht die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe auf der Basis von Daten aus weiteren Ländern nicht davon aus, dass Schwangere deutlich häufiger mit Komplikationen rechnen müssen. Bislang gibt es nach Angaben der Fachgesellschaft auch keinen Hinweis, dass Schwangere sich besonders leicht infizieren.

Der kleine französische Junge scheint sich unterdessen recht gut erholt zu haben. Die meisten Symptome besserten sich schon im Laufe von drei Tagen, nach insgesamt drei Wochen konnte das Kind aus der Klinik entlassen werden. Zwei Monate nach der Geburt untersuchten die Ärzte ihn erneut: Sie stellten noch immer eine etwas erhöhte Muskelspannung fest. Die anderen Probleme hatten sich gelegt.

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