Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Coronatests nicht bei jedem Schnupfen

Angesichts überlasteter Labore und der bevorstehenden Grippesaison ändert das RKI die Teststrategie.

Von Berit Uhlmann

Mitarbeiter "am Rande der physischen und psychischen Belastbarkeit, Maschinen am Anschlag, eine jüngst erneut verschärfte Knappheit von Liefermaterialien - und noch lange kein Ende in Sicht". Der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM), findet deutliche Worte für die aktuelle Überlastung der Branche. Seit Wochen steigt die Zahl der durchgeführten Coronatests - auf zuletzt mehr als 1,4 Millionen in der vergangenen Woche. Nun sei der Punkt erreicht, an dem die Testkapazität bundesweit erstmalig zu 100 Prozent ausgereizt ist. Es gebe damit keinen Puffer mehr, um etwa auf größere Ausbrüche zu reagieren, warnt der Verband - und fordert, wie schon seit Wochen, eine stärkere Priorisierung in der Coronadiagnostik.

Der Appell ist auch vor dem Hintergrund der beginnenden Erkältungs- und Grippesaison zu verstehen. Denn die Lage würde sich noch einmal drastisch verschärfen, wenn man alle Menschen mit Husten, Schnupfen und Halsweh testen wollte, um eine Infektion mit Sars-CoV-2 auszuschließen. In dem Fall müssten wöchentlich etwa drei bis fünf Millionen Tests durchgeführt werden, schätzt das Robert-Koch-Institut (RKI). Daher hat das RKI in dieser Woche die Reißleine gezogen. Nun soll nicht mehr jeder Schnupfenpatient getestet werden.

Patienten mit leichten Symptomen sollten mindestens fünf Tage zu Hause bleiben

Nach den Kriterien der neuen Teststrategie sollen vielmehr nur noch ein Teil der Erkrankten die Laboruntersuchung erhalten. Empfohlen wird der Test vor allem dann, wenn ein Patient schwere Atemwegsbeschwerden hat oder über Störung des Geruchs- oder Geschmackssinns klagt - ein sehr spezifisches Symptom für eine Covid-19-Erkrankung. Von Menschen mit leichteren Erkältungssymptomen soll nur dann ein Abstrich genommen werden, wenn sie gleichzeitig Kontakt zu einem bestätigten Covid-Kranken hatten, der Verdacht besteht, dass sie Teil eines größeren Clusters sind, wenn sie zu einer Risikogruppe gehören oder beruflich viel Kontakt zu gefährdeten Menschen haben.

Patienten mit leichten Symptomen, die nicht in eine dieser Kategorien fallen, gelten allerdings noch immer als Verdachtsfall. Das heißt, sie sollten sich so verhalten, dass sie eine etwaige Sars-CoV-2-Infektion nicht an andere Menschen weitergeben. Dazu sollten sie mindestens fünf Tage zu Hause bleiben und diese Isolation erst dann beenden, wenn sie seit 48 Stunden beschwerdefrei sind. Damit zielt das RKI auch auf die Vermeidung von Erkältungs- und Grippeinfektionen ab, die in der ohnehin angespannten Lage Ressourcen in Praxen oder Kliniken binden würden.

Unabhängig davon werden weiter asymptomatische Menschen getestet, die engen Kontakt zu einem Infizierten hatten oder sich in einer Gemeinschaftseinrichtung aufhielten, in der es einen Ausbruch gab. In Kliniken, Praxen und an weiteren sensiblen Orten werden wie zuvor auch Menschen ohne Symptome auf das Coronavirus untersucht. Einreisende aus Risikogebieten haben ebenfalls weiterhin Anspruch auf einen Test.

Anmerkung

In einer früheren Version des Artikels stand, dass nur Erkrankte getestet werden. Das ist falsch. Richtig ist, dass nur noch bestimmte Erkrankte und nicht mehr jeder Patient mit Atemwegssymptomen getestet wird. Unabhängig davon werden weiterhin asymptomatische enge Kontaktpersonen getestet. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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