Covid-19:Drei Wege durch die Pandemie

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Wie man sich an die Pandemie erinnert, hängt auch mit dem eigenen Impfstatus zusammen. (Foto: Stefan Zeitz/imago images)

Wissenschaftler haben Szenarien entwickelt, wo die Welt in fünf Jahren in Sachen Covid-19 stehen könnte. Sie zeigen, was passiert, wenn die Politik die falschen Entscheidungen trifft.

Von Christina Berndt

Wie nur lässt sich die Covid-19-Pandemie in all ihrer Extensität und Monstrosität zusammenfassen? Der International Science Council (ISC) hat es mit zwei Wörtern versucht: "Beispiellos und unvollendet", so steht es über dem gerade erschienenen Bericht des ISC, welche Konsequenzen aus den Erfolgen und Fehlern im Kampf gegen die Pandemie zu ziehen sind. Nach monatelangen Analysen von politischem Handeln und wissenschaftlichen Studien kommt der ISC - ein Zusammenschluss von mehr als 200 Wissenschaftsorganisationen, der sich als globale Stimme der Wissenschaft versteht - jedenfalls zu einem klaren Fazit: Es müssten dringend die Weichen zu einem besseren Umgang mit Pandemien gestellt werden, gerade weil Covid-19 noch nicht vorbei sei. Und ein besserer Umgang bedeutet: komplexeres Denken.

Als eine Gesundheitskrise habe die Pandemie "tragischerweise Millionen Leben gekostet", sagt ISC-Präsident Peter Gluckman. "Aber ihre Einflüsse gehen weit über die Gesundheit hinaus." Mehr als jede Krise zuvor habe die Pandemie gezeigt, wie Entscheidungen der Politik in einem Bereich zahlreiche andere Bereiche beeinflussen: Wer Schulen schließt, riskiert Bildungschancen; wer Grenzen schließt die ökonomische Entwicklung.

Die meisten Regierungen blicken lediglich auf Impfstoffe und Medikamente

Um die Brennpunkte politischen Handelns aufzuzeigen, hat das Konsortium drei Szenarien entworfen, wo die Welt 2027 in Sachen Covid-19 stehen könnte - ein günstiges, ein ungünstiges und ein mittleres Szenario. Der Council betont aber, dass die Pandemie letztlich unvorhersagbar bleibe. "Auch andere Entwicklungen sind möglich, dazwischenliegende ebenso wie extremere", betont die Ethikerin Christiane Woopen von der Universität Bonn, die an dem Bericht mitgearbeitet hat. Das Wertvolle an diesem Projekt sei für sie der systemische Blick, sagt Woopen: "Ein solches Denken in möglichen Szenarien hat mir in der deutschen Politik während der gesamten Pandemie gefehlt. Dabei ist es doch so wichtig, darüber nachzudenken, aus welchen Maßnahmen welche Folgen resultieren und wie sich diese abmildern lassen."

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Die Komplexität ist jedenfalls enorm. 53 Faktoren, die die Pandemie im weiteren Verlauf beeinflussen können, hat der ISC ausgemacht. Die meisten Regierungen blickten aber lediglich auf die Entwicklung von Impfstoffen, die Versorgung mit Impfstoffen und Medikamenten, die Überwachung neuer Varianten sowie Maßnahmen zur Eindämmung von Infektionen. Viele zum Teil noch wichtigere Faktoren würden hingegen nicht ausreichend beachtet. So werde der negative Einfluss der Pandemie auf die Bildung noch bis zum Ende dieses Jahrhunderts nachwirken, heißt es im Bericht. Auch sei die Belastung für die Psyche unterschätzt worden. Die Pandemie habe weltweit zu 53,2 Millionen Fällen von schwerer Depression geführt und zu 76,2 Millionen Angststörungen. Daher sei es nötig, Therapieplätze auszubauen sowie Bildungssysteme etwa durch Digitalisierung zu stärken. Besonders wichtig sei es zudem, die Verbreitung von Falschinformationen einzudämmen und zu verhindern, dass die Schere zwischen Arm und Reich durch globale Krisen immer größer werde.

Wo also wird die Welt 2027 in Sachen Covid-19 stehen? Die in ihren Augen wahrscheinlichste Entwicklung nennen die Wissenschaftler das Kontinuitätsszenario. In diesem Fall werden ungeimpfte Menschen weiterhin vornehmlich in ärmeren Ländern leben. Es wurde dann in Gesundheitssysteme und Bildung investiert. Covid-19 ist endemisch geworden, es flammt aber immer wieder auf, was Auffrischungsimpfungen nötig macht. Allerdings ist das Vertrauen in den Staat gesunken, der Populismus ist stärker geworden, der soziale Zusammenhalt schwächer.

Notwendig sind globale Lösungen, nicht nur nationale

Pessimistischer ist das Szenario Versäumte Besserung: Hier wurden die sozialen Folgen der Pandemie nicht abgefedert. Es kommt zu stärkerer Ungleichheit durch wachsende geopolitische Spannungen und protektionistische Politik, und es fehlt an internationaler Kooperation. Während reichere Länder Booster anbieten, bleibt der Großteil der Weltbevölkerung ungeimpft. So kommt es immer wieder zu schweren Ausbrüchen. Der Populismus beeinträchtigt die internationale Zusammenarbeit.

Möglich ist auch das dritte, optimistischere Szenario Zusammenarbeit Plus. Weil die Kooperation besser geworden ist, hat Covid-19 an Bedeutung verloren. Mehr als 70 Prozent der Weltbevölkerung sind effektiv geimpft, auch antivirale Medikamente sind günstig und breit verfügbar. Reiche Länder haben wegen des Pandemie-Schocks in Sozialversorgung, Digitalisierung und Gesundheitssysteme investiert. Es kommt zwar noch zu neuen Covid-19-Wellen, aber diese sind handhabbar. Regierungen haben Pandemiepläne und eine Wissenschaftsberatung.

Die Top-Voraussetzung für einen günstigen Verlauf ist somit: Statt nur kurzfristig zu denken, müssen Regierungen die Folgen ihrer Entscheidungen in all ihrer Komplexität erfassen und den sozialen Zusammenhalt im Blick haben. Doch gerade an Letzterem mangele es, beklagt der Bericht: "Obwohl die Pandemie durch und durch eine globale Krise ist, haben Politiker sich vornehmlich auf nationale Lösungen fokussiert." Eine globale Krise brauche aber globale Antworten, betont Christiane Woopen. Die Ethikerin plädiert dafür, globale Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation zu stärken. Auch müsse eine gerechte Verteilung von Impfstoffen durch ein geändertes Völkerrecht durchsetzbar werden. "Wir müssen den nationalen Egoismus überwinden. Die Folgen der Pandemie in anderen Ländern werden uns geopolitisch noch lange begleiten, das wird leider immer noch zu wenig verstanden."

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