Während die Forderungen nach mehr Virustests in Deutschland immer lauter werden, warnt der Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) vor Engpässen bei Covid-19-Testungen bereits in den kommenden Tagen, falls weiterhin immer mehr Tests gemacht werden sollten. Es sei daher wichtig, zwischen "zwingend notwendigen Aufträgen und nachrangigen Untersuchungswünschen" zu differenzieren, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Essentiell sind Tests für medizinisches Personal und weitere besonders gefährdete Personen sowie für Hochrisikogruppen unter den Patienten und Patientinnen. "Vor allem die Krankenhauslabore müssten von externen, nachrangigen Forderungen entlastet werden", schreibt der BDL.
Neben Testmaterialien fehlt es auch an Schutzkleidung, sagt Matthias Orth, Ärztlicher Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin am Marienhospital Stuttgart und Vorstandsmitglied des BDL. Zudem werde es immer schwieriger, die Reagenzien zu bekommen, die notwendig sind für den Virustest. Insbesondere jene Chemikalien, mit denen das Erbgut der Viren aus den Rachenabstrichproben geholt wird, seien zunehmend schwierig zu bekommen. Verschiedene Hersteller bieten diese "Extraktionsmedien" als fertige Kits an, die zur Qualitätssicherung in allen Labors eingesetzt werden. "Diese Kits werden gerade knapp wegen der weltweit gestiegenen Nachfrage", sagt Orth. Da Deutschland vergleichsweise lange und intensiv testet, gibt es noch halbwegs gefüllte Lager, nur der Nachschub kommt schleppend. Das deutete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits während einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche an.
Corona-Krise:Covid-19: Wie gut testet Deutschland?
Deutschlands Ärzte untersuchen relativ viele Bürger auf das Virus, aber nicht alle, die wollen. Das ist auch sinnvoll.
Davon unverdrossen hatten Strategen des Innenministeriums einen Plan entwickelt, um die Tests noch auszuweiten - auf letztlich mehr als eine Million pro Woche. Es fehlten allerdings Angaben, wie das zu bewerkstelligen ist. Aktuell wird die Zahl der wöchentlichen Tests auf 200 000 bis etwas mehr als 500 000 geschätzt. Die größere Zahl zeige dabei eher an, "was derzeit technisch möglich ist", sagt Orth. Die kleinere hingegen, was realistisch sei angesichts der sich verschlechternden Materialversorgung. Am Dienstag erklärte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, pro Woche würden etwa 350 000 Menschen in Deutschland getestet. Mehr sei im Moment mit herkömmlichen Tests nicht möglich.
Um die knappen Laborressourcen zu schonen, haben verschiedene Forschergruppen zuletzt das sogenannte Pool-Testen beworben. Dabei werden jeweils mehrere Rachenabstrichproben zunächst gemeinsam untersucht und ausgewertet. Wenn zum Beispiel von zehn gemischten Proben keine das Virus enthielt, fällt das Gesamtresultat negativ aus und man hat neun Tests gespart. Ist eine davon negativ, muss man die zurückgestellten Reste der Proben einzeln untersuchen, um sämtliche mit Virus zu finden.
Labortests, die nichts mit dem Cororavirus zu tun haben, hätten abgenommen, heißt es
Was in der Theorie verlockend klingt, birgt laut Orth zwei Probleme: Zum einen würde die Empfindlichkeit des Tests leiden. In einigen Proben sei nur so wenig Virus, dass durch die Verdünnung mit anderen der Nachweis falsch negativ ausfallen könne. Zum anderen wäre das überhaupt nur lohnend, wenn relativ wenige Proben das Virus enthalten. "Von den Proben aus Kliniken, die wir in Baden-Württemberg untersuchen, sind bis zu 15 Prozent positiv", sagt Orth. Ein deutlich zu hoher Anteil für ein solches Vorgehen.
Um der sich anbahnenden Nachschubkrise zu begegnen, fordert der BDL eine Beschleunigung in der Lieferkette und den Ausbau inländischer Produktionskapazitäten - "auch durch Investitionshilfen". Neben den drohenden Versorgungsproblemen der Labors macht der BDL auf ein weiteres Problem aufmerksam. Es drohe eine Unterversorgung insbesondere von chronisch Kranken, die auf regelmäßige Laboruntersuchungen angewiesen sind, da viele Arztpraxen den Regelbetrieb eingestellt hätten. Labortests, die nichts mit dem Coronavirus zu tun haben, hätten in den vergangenen zwei Wochen deutlich abgenommen, heißt es in der BDL-Stellungnahme.
Wenn die Kapazität der Tests auf das Virus weiterhin beschränkt bleibe, müsse der Bundesgesundheitsminister Prioritäten festlegen, forderte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz am Dienstag. "Gerade Pflegebedürftige in Heimen und Altenpflegekräfte müssen stärker in den Blick genommen werden. Hier leben die Menschen auf dem engsten Raum, die wir schützen wollen."
Die aus den vom RKI erfassten Fällen errechnete Sterberate liegt in Deutschland bisher deutlich niedriger als in der Europäischen Union insgesamt mit etwa 7,6 Prozent. Den Grund für die momentan noch moderate Quote sieht Wieler in frühen und vielen Tests hierzulande. Deshalb seien in Deutschland auch viele leichte Fälle registriert, die nicht zum Tod führten. Bislang liegt das mittlere Alter der Infizierten bei 48 Jahren.