Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:Covid auf Reisen

Strand, Zug, Hotelbuffet: Tourismus in der Pandemie birgt Risiken. Wo die Gefahr der Übertragung am größten ist und wie Reisende sich schützen können.

Von Berit Uhlmann

Bis zu 31 Prozent aller Corona-Neuinfektionen sollen von Reiserückkehrern verursacht worden sein. Zu der hohen Zahl dürfte auch beigetragen haben, dass die Heimkehrer besonders viel getestet werden. Dennoch ist es plausibel, dass der Urlaub ein Risiko für die Ausbreitung des Coronavirus darstellt, auch wenn man Orte wie Kreuzfahrtschiffe meidet. Auf Reisen kommen Menschen aus ganz unterschiedlichen Regionen zusammen, auch solchen, in denen das Virus stärker grassiert. Lange freie Tage, in denen man die beunruhigenden Nachrichten von sich fernhält, das Gefühl von Leichtigkeit, der Wein - das alles kann dazu beitragen, dass die Vorsicht nachlässt. Worauf Sie achten sollten, wenn Sie sich auf Reisen und Ausflüge begeben.

Strand

Sonnenhungrige soweit das Auge reicht, dicht an dicht mitten in der Pandemie: Die Bilder von vollen Badestränden galten vielen als Symbol des neuen Leichtsinns. Da mag etwas dran sein. Generell aber dürfte ein Strandtag ein verhältnismäßig geringes Infektionsrisiko bergen. Hier trägt der Wind etwaige Viruspartikel rasch davon. Hohe Temperaturen, so zeigten bisherige Studien, übersteht das Virus nicht lange, weshalb von aufgeheizten Geländern und anderen Oberflächen keine sehr große Gefahr ausgehen sollte. Wie gut der Erreger Wasser verträgt, ist noch nicht klar. Viren mit einer Hülle - zu denen auch das neue Coronavirus gehört - gelten als nicht sehr stabil im Wasser. Unabhängig davon werden Mikroben in großen Gewässern schnell verdünnt. Eine Gefahr besteht vor allem, wenn es am Strand zu eng wird. Es ist daher ratsam, auch in der sonnentrunkenen Stimmung den Abstand zum Strandnachbarn immer mal wieder zu kontrollieren.

Schwimmbad

Auch Schwimmbäder gelten per se nicht als besonders riskante Orte. Chlor inaktiviert Sars-CoV-2. Es wird angenommen, dass Wärme und eine hohe Luftfeuchtigkeit den Erreger rasch unschädlich machen. Ganz sicher ist die Sache jedoch nicht. In China wurde ein Ausbruch in einem Schwimmbad mit Sauna dokumentiert, bei dem sich neun Männer über einen Zeitraum von mehreren Tagen angesteckt hatten - obwohl dort Temperaturen von 25 bis 41 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent herrschten. Die Details dieser Übertragung sind nicht geklärt. Dennoch empfiehlt es sich, auch im Schwimmbad unbedingt auf Abstand zu achten, kein Wasser zu verschlucken und eventuell eine Schutzbrille zu tragen.

Öffentliche Toilette

Was die Physiker da in großer Detailfreude simuliert haben, klingt gruselig. Toilettenspülungen, so war jüngst in einem Fachmagazin zu lesen, erzeugen starke Turbulenzen, in denen "ohne Ausnahme massive Aufwärtsbewegungen von Teilchen" beobachtet werden könnten. Viruspartikel könnten damit bis zu einem halben Meter weit aus der Schüssel heraus geschossen werden und sich in der Umgebung ablagern. Allerdings ist noch nicht klar, ob Sars-CoV-2 über Fäkalien übertragen werden kann. Zwar wurden in Stuhlproben bereits Erreger gefunden, die in einigen wenigen Fällen sogar noch infektiös waren. Doch bedeuten diese Laborbefunde nicht, dass solche Infektionen auch zwangsläufig vorkommen. Prinzipiell aber ist nicht zur Benutzung viel frequentierter und selten gereinigter Toiletten zu raten. Wer nicht umhin kommt, sollte ein paar Vorsichtsmaßnahmen beachten: Beim Spülen den Deckel schließen, möglichst wenig anfassen und sich gründlich die Hände waschen. Seife zerstört die Fettschicht der Coronavirus-Hülle, was das Ende des Erregers bedeutet. Wenn Seife fehlt, ist ein Desinfektionsmittel eine gute Alternative.

Hotelbuffet

Es gibt bis heute keinen Nachweis, dass das Coronavirus über Lebensmittel übertragen wird. Die potenzielle Gefahr des Buffets rührt eher daher, dass es vor dem Toaster zu Gedränge kommen kann. Und dass viele Menschen die gleichen Gegenstände berühren: Brötchenzangen, Käsegabeln, Knöpfe an der Kaffeemaschine. Eine Infektion über kontaminierte Oberflächen gilt nicht als der Hauptübertragungsweg des Coronavirus, wird aber auch nicht ausgeschlossen. Wer sichergehen will, nimmt frisches Besteck, um das Frühstück auf den Teller zu befördern. In Gaststätten steigt das Übertragungsrisiko vor allem, wenn sie schlecht belüftet und voll sind. Noch größer wird die Gefahr, wenn die Gäste laut reden, weil mit dem stärkeren Luftstrom eben auch potenziell mehr Viren ausgestoßen werden.

Flugzeug

Eine Faustregel beim Fliegen lautet, dass die Plätze in unmittelbarer Umgebung eines Infizierten das größte Infektionsrisiko bergen. Sitze in derselben Reihe sowie zwei Reihen vor und hinter einem Infizierten zählen dazu. Dass dies auch für das Coronavirus gelten könnte, zeigte eine Studie aus Deutschland. Auf einem Flug von Tel Aviv nach Frankfurt steckten sieben Infizierte aus einer Reisegruppe offenbar lediglich zwei weitere der mehr als 70 Passagiere an. Die beiden waren nur durch den Gang vom Trupp der Infizierten getrennt. Niemand trug eine Gesichtsmaske. Der vergleichsweise glimpfliche Ausgang dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Luftfilteranlagen Erreger aus der Kabine befördern. Eine Garantie auf risikoloses Fliegen bietet die Sitzreihen-Schätzung indes nicht. Beim Ein- und Aussteigen, beim Umherlaufen im Flieger, beim Berühren von Griffen und Klinken gibt es weitere Ansteckungsmöglichkeiten. So infizierte sich auf einem Flug von Italien nach Südkorea eine Frau höchstwahrscheinlich während sie die Toilette aufsuchte. Es ist daher ratsam, die Maskenpflicht unbedingt einzuhalten und den Sitz während des Flugs nicht zu verlassen. Wer mit wenig Handgepäck reist, vermeidet lange Staus beim Ein- und Aussteigen.

Zug

Auch im Zug ist offenbar der Sitz neben einem Infizierten am gefährlichsten. Chinesische Wissenschaftler haben die Krankengeschichten und Reisepläne von mehr als 2000 Patienten und 72 000 Kontaktpersonen ausgewertet. Es zeigt sich: Wer neben einem Infizierten saß, hatte ein Risiko von 3,5 Prozent, sich anzustecken. Allerdings wurde nicht berücksichtigt, ob sich die Sitznachbarn kannten, also etwa zu einer Familie oder einem Arbeitsteam gehörten, und so auch in anderen Situationen Kontakt hatten. Blieben zwischen Infizierten und Passagier mindestens zwei Sitze frei, sank das Risiko unter ein Prozent. Ebenso klein war die Gefahr auch für Reisende, die vor oder hinter dem Menschen mit Infektion saßen. Einen Einfluss hatte auch die Zeit, die die Menschen im Zug verbrachten. Nach zwei Stunden gemeinsamer Fahrt kann ein Abstand von 2,5 Meter nicht mehr ausreichen, um eine Ansteckung zu vermeiden, schreiben die Forscher. Auch wenn das Risiko nicht allzu groß ist, kann es sinnvoll sein, die Zeit im Zug so kurz wie möglich zu halten, sofern möglich, einen Platz Abstand zum nächsten Passagier zu lassen und - wenn nicht ohnehin vorgeschrieben - Masken zu tragen.

Ferienlager

Mehr als 100 Kinder in einem Sommercamp mitten in der Krise unterzubringen, das klingt nach einem Rezept für einen gigantischen Covid-Ausbruch. Tatsächlich wurde ein solches Vorkommnis schon dokumentiert. Im US-Bundesstaat Georgia musste ein Ferienlager eilig aufgelöst werden, dennoch hatten sich fast die Hälfte der 600 Teilnehmer mit dem Coronavirus infiziert. Dass es auch anders geht, zeigten hingegen vier Ferienlager in Maine, in denen insgesamt fast 650 Kinder und 380 Angestellte aus den gesamten Staaten untergebracht waren. Dafür war allerdings viel Kooperationsbereitschaft nötig. Zunächst mussten die Familien der Campbesucher mindestens zehn Tage in Quarantäne verbringen. Vor und nach Ankunft wurden Rachen- und Nasenabstriche genommen. Täglich wurde Fieber gemessen. Wer einschlägige Symptome zeigte, wurde sofort isoliert. Die Kinder waren in Gruppen untergebracht, zwischen denen es keinen engen Kontakt geben durfte. Mahlzeiten und Badbenutzung mussten daher einem strengen Zeitplan folgen. Hygieneregeln wurden permanent überprüft. Das Camp durfte zwischendurch nicht verlassen werden. Am Ende ging alles gut. Drei Personen, die nach der Anreise positiv getestet wurden, standen die Infektion in Isolation durch und steckten keine weiteren Gäste an. Das Ganze hatte freilich recht wenig mit großer Freiheit und Sommersause zu tun. Es zeigt vielmehr, wie viel nötig ist, wenn traditionelle Ferienziele auch in der Pandemie beibehalten werden sollen.

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