Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Wie ansteckend sind Kinder?

Ein Team um Christian Drosten warnt in einer Studie, dass Kinder ähnlich infektiös wie Erwachsene sein könnten. Die Datenbasis ist allerdings nicht üppig.

Von Berit Uhlmann

Welche Rolle spielen Kinder in der Verbreitung von Sars-CoV-2? Ist es unumgänglich, sie so lange wie möglich aus Schulen und Kitas fernzuhalten? Die Diskussion wird zunehmend heftig geführt - und bekommt nun neue Nahrung durch eine Arbeit, die der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité gemeinsam mit Kollegen verfasst hat.

In der noch nicht von unabhängigen Fachleuten begutachteten Studie haben die Wissenschaftler die Viruslast in den Atemwegen von Infizierten verglichen. Es zeigte sich, dass der Wert bei allen Altersgruppen ungefähr gleich hoch lag. Kinder tragen also nicht weniger Viren in ihren Körpern als Erwachsene. Daraus zieht das Team den Schluss: "Wir müssen in der gegenwärtigen Situation vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten warnen. Kinder könnten ebenso infektiös sein wie Erwachsene".

Allerdings waren Kinder in der Stichprobe deutlich unterrepräsentiert, nur 47 von 3700 Infizierten waren jünger als zwölf Jahre. Die geringe Zahl lässt sich damit erklären, dass die Wissenschaftler Daten aus Routine-Testungen eines Berliner Labors verwendet hatten. Infizierte Kinder aber haben oft milde oder gar keine Symptome und werden damit seltener getestet. Wie repräsentativ die untersuchten Kinder sind, ist fraglich. Womöglich sind vor allem jene in die Testzentren gekommen, die ernstere Verläufe und damit möglicherweise eine höhere Virenlast hatten.

Die gegenwärtigen Schutzmaßnahmen könnten das Infektionsrisiko verdecken

Die Wissenschaftler räumen ein, dass die Viruslast allein noch keine Aussage darüber zulässt, in welchem Maß Kinder Sars-CoV-2 auch verbreiten. Die Tatsache, dass sie häufig keine nennenswerten Symptome haben, könnte auch bedeuten, dass sie den Erreger nicht so oft durch Niesen und Husten in die Umgebung schleudern. Andererseits pflegen kleine Kinder besonders häufig enge körperliche Kontakte und sind eher schwer zur Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen zu bewegen. Damit wiederum könnten sie eine größere Bedeutung als Überträger haben.

Wie oft die Kleinen das Virus tatsächlich übertragen, ist derzeit schwer zu bestimmen. Die aktuellen Infektionsschutzmaßnahmen schirmen Kinder derart ab, dass sie kaum Gefahr laufen, Infektionen an andere weiterzugeben. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie kein Potenzial als Virenverbreiter haben. Sie schöpfen es nur womöglich gerade nicht aus.

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Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass Kinder und Jugendliche eine Rolle in der Ausbreitung der Epidemie spielen. Die Behörde begründet die Einschätzung damit, dass sich Kinder nach bisherigen Erkenntnisse etwa ebenso häufig infizieren wie Erwachsene. Und dass - unabhängig vom Alter - auch Menschen das Virus übertragen können, die kaum oder nur geringe Symptome aufweisen.

Jenseits der infektiologischen Gesichtspunkte mahnen Experten in der Frage der Schulöffnung dazu, auch die Folgen eines langfristigen Unterrichtsausfalls zu berücksichtigen. Dazu gehören das Risiko für Bildungsdefizite, Belastungen und Stress in den Familien, sowie die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche sich in der Isolation zunehmend ungesund verhalten.

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