Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:EU-Seuchenbehörde hält weitere Fälle in Europa für wahrscheinlich

  • Die EU-Präventionsbehörde ECDC hält es für wahrscheinlich, dass es in Europa noch mehr mit dem Coronavirus Infizierte geben wird.
  • Bislang sind drei Patienten in Frankreich bestätigt. In Großbritannien läuft die Suche nach etwa 2000 Fluggästen aus China.
  • Den Gesundheitseinrichtungen in der chinesischen Stadt Wuhan drohen medizinische Hilfsmittel auszugehen.

Nach den ersten bestätigten Fällen der neuartigen Lungenkrankheit in Europa geht die EU-Präventionsbehörde ECDC von weiteren Fällen auf dem europäischen Kontinent aus. "Zu diesem Zeitpunkt ist es wahrscheinlich, dass es mehr importierte Fälle in Europa geben wird", teilte die im schwedischen Solna ansässige Behörde am Samstag mit. Auch wenn viele Dinge über das Virus weiter unbekannt seien, hätten die europäischen Länder die nötigen Kapazitäten, um einen Ausbruch direkt nach dem Entdecken zu verhindern und zu kontrollieren.

Frankreich hatte am Freitagabend als erstes EU-Land drei Fälle von Infektionen mit dem neuen Coronavirus bestätigt. Angesichts des Auftretens der Erkrankung in anderen Ländern außerhalb Chinas kämen die ersten bestätigten Fälle in Europa nicht unerwartet, erklärte das ECDC. Die französischen Fälle bewiesen, dass die Mittel zur Entdeckung und Bestätigung des Virus in Frankreich funktionierten.

Auch in Australien wurde ein erster Krankheitsfall bestätigt. Die Corona-Infektion war bei einem aus der Volksrepublik eingereisten Chinesen festgestellt worden. Obwohl die Behörden den Gebrauch von Atemmasken als Schutz gegen das Virus ausdrücklich nicht empfehlen, decken sich viele Bewohner der Stadt Melbourne damit ein. Vielen Apotheken in Melbourne geht der Vorrat aus. Zuletzt war die Nachfrage nach solchen Masken bereits wegen der Luftverschmutzung durch die Buschbrände stark gestiegen.

Landesweite Kontrollen in China

Mediziner in Großbritannien halten es für wahrscheinlich, dass sich Infizierte bereits im Land aufhalten. Gesundheitsexperten versuchen deshalb, etwa 2000 Fluggäste aus China aufzuspüren. Gesucht werden Reisende aus der chinesischen Stadt Wuhan, die in den vergangenen zwei Wochen ins Vereinigte Königreich geflogen sind.

In der Metropole Wuhan ist das Virus mutmaßlich ausgebrochen. Das Staatsfernsehen in China berichtete am Samstag von mittlerweile 41 Todesopfern und mehr als 1300 Infizierten im Land. Bestätigte Fälle wurden zuletzt auch aus anderen Ländern wie Japan, Thailand, Vietnam, Singapur, Taiwan, den USA und Australien gemeldet.

Die Regierung in Peking hat landesweite Kontrollen und Hygienemaßnahmen im Transportwesen angeordnet. An Flughäfen, Bahnhöfen, Busstationen und Passagierhäfen sollen Fiebermessgeräte installiert werden, kündigte der Staatsrat am Samstag an. Für die Behandlung von Kranken soll es Notfallpläne geben. Auch müssten Vorkehrungen getroffen werden, wie Infizierte mit dem neuen Virus isoliert oder Verdachtsfälle beobachtet werden können.

Wuhan bittet um medizinische Hilfsmittel

Die Transportbehörden sollten dafür sorgen, dass die Hygiene in Zügen, Flugzeugen und anderen Verkehrsmitteln gesichert sei. Ähnliche Vorkehrungen sollen an Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Verkehrsknotenpunkten getroffen werden. Vorbeugende Maßnahmen wie Belüftung und Desinfektion sollten ergriffen werden, hieß es weiter in der Anweisung. Auch müssten Schutzkleidung und ausreichend Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt werden.

Den Gesundheitseinrichtungen in Wuhan drohen medizinische Hilfsmittel auszugehen. In der Hauptstadt der Provinz Hubei seien die Vorräte an solchen Produkten sehr knapp, sagt ein Behördenvertreter. In- und ausländische Hersteller von Atemmasken und Schutzanzügen würden um weitere Lieferungen gebeten. Bis Freitag seien mehr als 1,2 Millionen Atemmasken gespendet worden. Die Lage in Wuhan bleibe ernst, betont der Behördenvertreter.

Um die Verbreitung des Virus einzudämmen, erlässt die Stadtverwaltung von Wuhan einem Zeitungsbericht zufolge ein Fahrverbot. Ab Sonntag dürften keine Autos mehr ins Zentrum der Metropole fahren, berichtet die Zeitung People's Daily. Ausnahmen gelten demnach für unverzichtbare Fahrten.

In Hongkong sind bereits fünf Fälle des Coronavirus bestätigt. Bei mehr als 120 Patienten besteht der Verdacht, dass sie mit dem Virus infiziert sind. Regierungschefin Carrie Lam hat deshalb angekündigt, sämtliche Flug- und Schnellzugverbindungen von und nach Wuhan zu stoppen. Lam verhängte einen "Virus-Notstand", mit dem die Ausbreitung des Erregers in der Finanzmetropole eingedämmt werden soll. So bleiben Hongkonger Schulen bis zum 17. Februar und damit länger als bis zum Ende der Ferien anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes geschlossen. Sämtliche öffentlichen Neujahrsfeiern in der chinesischen Sonderverwaltungszone werden abgesagt ebenso wie offizielle Besuche von Hongkonger Politikern in der Volksrepublik.

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