Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Was Forscher bislang über das Coronavirus wissen

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Mehr als ein halbes Jahr dauert die Pandemie bereits an, doch immerhin: In mancher Hinsicht sind Wissenschaftler jetzt schlauer. Ein Überblick.

Von Kathrin Zinkant

Es ist ziemlich genau sieben Monate her, dass der erste Fall einer mysteriösen Lungenkrankheit in Deutschland auftauchte. Das Virus, das damals noch 2019-nCoV genannt wurde, gab viele Rätsel auf, von denen längst nicht alle gelöst sind. Ein paar Dinge aber sind inzwischen klar. Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick.

Es gibt keine Treiber der Pandemie

Zuerst waren es die Kinder - und aktuell stehen junge Erwachsene unter Verdacht, aufgrund einer nicht näher bekannten Eigenschaft besonders ansteckend zu sein und das Virus in ihrem Umfeld entsprechend stark zu verbreiten. Man weiß jedoch inzwischen, dass kleine Kinder keine ausgewiesenen Virusschleudern sind und Menschen unabhängig vom Alter sehr viele andere anstecken können - wenn dem Erreger die Gelegenheit geboten wird. Solche Superspreading-Events, bei denen das Virus auf viele andere Menschen übergeht, haben mehr mit der Umgebung zu tun als mit den ansteckenden Personen an sich. Sie zeigen jedoch deutlich, dass das Virus sich nicht gleichmäßig in der Bevölkerung verbreitet, sondern dass gehäufte Ansteckungen - sogenannte Cluster - eine wichtige Rolle spielen.

Drinnen ist es am gefährlichsten

Berichte über Corona-Cluster häufen sich seit Monaten, und wenn eines wirklich klar geworden ist durch diese Ansteckungsherde, dann ist es die enorme Bedeutung von geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen. Das hat mit den ausgeatmeten Tröpfchen zu tun, in denen das Virus auf Reisen geht. An der frischen Luft werden sie verweht, gegebenenfalls durch UV-Strahlung unschädlich gemacht oder sie trocknen rasch aus. In stickigen Vereinszimmern oder auch in Betrieben mit lediglich umgewälzter Luft können die Erreger sich dagegen halten, anreichern und sogar weiter entfernt stehende Personen anstecken. Die wohl wichtigste Maßnahme zum Schutz vor Corona ist deshalb, sich nicht mit vielen anderen Menschen in geschlossene Räume zu begeben oder seine Arbeiter dazu zu nötigen - egal, ob es sich um einen Club, ein Restaurant oder eine Schlachtfabrik handelt.

Tröpfchen aller Größen

Es war schon zu Beginn der Pandemie klar, dass sich das neue Coronavirus über eine sogenannte Tröpfcheninfektion verbreitet, also durch größere Flüssigkeitspartikel, die beim Husten, Sprechen und Atmen frei werden und von anderen Personen dann eingeatmet werden können. Solche Tröpfchen sinken jedoch im Abstand von etwa 1,5 Metern zu Boden - und es häuften sich dokumentierte Fälle, in denen sich Menschen auch aus größerer Distanz ansteckten. Der Verdacht fiel rasch auf sogenannte Aerosole, die sich von klassischen Tröpfchen in Größe und Verhalten unterscheiden: Sie sind sehr fein und sinken langsamer oder gar nicht zu Boden. Inzwischen ist klar, dass Aerosole an der Übertragung in schlecht belüfteten Räumen beteiligt sein können. Zugleich gibt es jedoch keine klare Grenze zwischen Tröpfchen und Aerosolen, sondern einfach ein großes Spektrum von Tröpfchen, von denen die größeren auch mehr Virus enthalten. Vor einem Teil der Tröpfchen kann man andere durch eine Maske schützen.

Impfstoffe lassen sich schnell entwickeln

Trotz des Leids und der Toten gibt es auch eine sehr ermutigende Erkenntnis aus der bisherigen Coronaforschung: Statt der bisher üblichen 15 Jahre ist die Entwicklung eines geprüften Impfstoffs auch deutlich schneller möglich. Es ist nicht sicher, aber wahrscheinlich, dass es gegen das neue Virus schon nach 18 Monaten einen nachweislich wirksamen Impfstoff geben wird - also im kommenden Sommer. Die Gründe dafür sind allerdings weniger wissenschaftlicher Natur, sondern haben mit Geld und Bürokratie zu tun. Die Suche nach einem Impfstoff wurde von vielen Regierungen und Stiftungen massiv unterstützt. Und die Wartezeiten zwischen den Entwicklungsschritten wurden verkürzt. Viele Fachleute sehen in diesen akuten Erleichterungen sicherlich zu Recht ein Modell für die Zukunft.

Masken und Abstand sind wichtiger als Desinfektion

Wer im März eine Flasche Desinfektionsmittel kaufen wollte, starrte in leere Drogerieregale und traute sich bald nicht mehr, den Einkaufswagen anzufassen. Es lag anfangs ja nahe, eine sogenannte Schmierinfektion über Oberflächen für möglich zu halten. Inzwischen sind Experten sich jedoch sicher, dass die Rolle von Oberflächen für die Verbreitung des Coronavirus eher eine untergeordnete ist und Desinfektionsmittel unnötig sind, wenn man sich regelmäßig gründlich die Hände wäscht. Masken, korrekter als Mund-Nasen-Bedeckung bezeichnet, haben sich dagegen als bedeutender für den Infektionsschutz erwiesen, als zunächst gedacht. Und weiterhin gilt: Abstand halten. Auch wenn es manchmal schwerfällt.

Die Krankheit kann sich ziehen

Nicht jeder stirbt an der Krankheit, die das Sars-CoV-2-Virus verursacht. Manche werden sogar überhaupt nicht krank. Dennoch wäre es falsch, Covid-19 auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn wer Pech hat, den erwischt das Virus kräftig, möglicherweise sogar lebensgefährlich - und in bis zu zehn Prozent dieser Fälle ist die Krankheit mit dem Ende der Infektion noch lange nicht ausgestanden. Neurologische Störungen, Gefäßschäden und andere Folgen von Covid-19 sind inzwischen gut dokumentiert. Umso wichtiger ist der Schutz vor einer Ansteckung.

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