Süddeutsche Zeitung

Diagnose und Behandlung:Mit dem Virus zu Hause

Wie erkenne ich eine Infektion mit SARS-CoV-2, wann sollte ärztliche Hilfe gesucht werden und welches Verhalten ist bei nachgewiesener Infektion angemessen? Was Mediziner empfehlen.

Von Werner Bartens

Wer aus Vorsicht oder weil es vom Arbeitgeber angeordnet wurde, die nächsten Tage oder Wochen im Home-Office verbringt, hat viel Zeit zur Selbstbeobachtung. Etliche Menschen lauschen dann vermutlich hellhörig in sich hinein, und das ist - gerade in coronalastigen Zeiten - nicht gut für die Gesundheit. Dauert dieser Reizhusten nicht schon viel zu lange an? Ist dieses Gefühl der Erschöpfung noch Frühjahrsmüdigkeit oder sind das bereits Zeichen einer verschleppten Infektion? Und der Kopf ist ja auch schon ziemlich heiß.

Fast alle Beschwerden haben die unangenehme Eigenschaft, sich zu verstärken, wenn man sich nur ausreichend darauf konzentriert. Die Wahrnehmung wird gebannt und der symptomorientierte Tunnelblick macht aus einer leichten Erkältung schnell ein schweres Leiden. Deswegen sollte man versuchen, sich nicht in die Überzeugung hineinzusteigern, schon erkrankt zu sein, sondern möglichst gelassen registrieren: Was ist genauso wie immer - und was ungewöhnlich? Ein kühler Kopf hilft gegen manche erhöhte Temperatur. Zudem sollte man sich im Anschluss an andere Beschäftigungen oder die Ablenkung durch Gespräche fragen, ob man währenddessen überhaupt durch etwaige Beschwerden beeinträchtigt war.

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Die meisten Infizierten hatten Fieber, Husten und Halsweh. Schnupfen kam eher selten vor

Allerdings gibt es auch ernstere Hinweise, die nicht verschwinden. "Ein Verdacht auf eine Erkrankung an Covid-19 könnte begründet sein, wenn die Trias aus trockenem Husten, Fieber und Atemnot vorliegt", schreibt das British Medical Journal, eine erstklassige Adresse für alltagsnahe medizinische Fragen. Die Überlappung mit der echten Grippe ist zwar gegeben, bei dieser sind jedoch Gliederschmerzen und große Müdigkeit noch dominanter.

Sicherheit bringt nur ein Test, aber in einer Auswertung von Covid-19-Krankheitsverläufen im Fachmagazin JAMA klagten 72 Prozent der Patienten über Fieber, 83 Prozent über Husten und 61 Prozent über Halsweh. Die wenigsten Patienten mussten niesen oder hatten chronisch Schnupfen. Wenn die Nase läuft, spricht das also eher für eine ordinäre Erkältung.

Atemnot heißt übrigens nicht, aus der Puste zu kommen, nachdem man gerannt ist oder schwere Einkäufe geschleppt hat. Vielmehr geht es um ein zuvor unbekanntes Gefühl der Kurzatmigkeit ohne äußere Belastung. Tritt diese auf, ist das ein Signal, den Arzt oder die Klinik zu kontaktieren, denn schwere Fälle von Covid-19 gehen meist mit starken Atembeschwerden einher, die in seltenen Fällen intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden müssen. Ältere, geschwächte Patienten und chronisch Kranke sollten früher auf entsprechende Symptome reagieren.

Bis vor Kurzem hieß es in Fachkreisen, ein Verdacht sei begründet, wenn die genannten Symptome auftreten und Kontakt zu jemandem bestand, der im Risikogebiet war oder selbst infiziert ist. In Zeiten, in denen Übertragungswege kaum noch nachvollzogen werden können, Praxen und Kliniken Überlastung droht und Testmöglichkeiten begrenzt sind, muss dieses Kriterium nicht mehr erfüllt sein.

Derzeit geht es auch darum, nicht unnötig Praxen und Kliniken aufzusuchen. Einerseits hat dies den Grund, dass dort die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung größer ist als in den eigenen vier Wänden. Zudem gilt es, "alle Optionen auszuschöpfen, wie eine gewisse Entlastung in der Praxis erreicht werden könnte", wie Michael Kochen, der langjährige Präsident der deutschen Allgemeinmediziner, in seinem letzten Rundbrief schreibt. Schließlich ist es wichtig, dass medizinisches Personal so lange wie möglich gesund bleibt und Ressourcen im Gesundheitswesen für jene verfügbar sind, die sie tatsächlich brauchen.

Wer positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurde und die nächsten 14 Tage in häuslicher Quarantäne verbringen muss, sollte ein paar Verhaltensregeln beachten, um möglichst schnell gesund zu werden. Auch wenn das Allgemeinbefinden gut ist, empfiehlt sich ausreichend Schlaf. Bereits nach einem Tag Schlafmangel ist die Immunabwehr beeinträchtigt, sodass diverse Erreger leichteres Spiel haben. Es ist also völlig unnötig, sich aus Langeweile zu Hause die Nächte um die Ohren zu schlagen und damit eine weitere Infektion zu riskieren, während sich der Körper gerade der Corona-Viren entledigt.

Ausgewogene Ernährung und eine eher überdurchschnittliche Trinkmenge sind ebenfalls ratsam. Bei Infektionen benötigt der Körper fast immer mehr Flüssigkeit als im gesunden Zustand. Frische Luft und Bewegung wären ebenfalls hilfreich, um schneller gesund zu werden. Das lässt sich aber bei einem Außer-Haus-Verbot in Quarantäne kaum umsetzen. Ein paar Schritte auf dem Balkon oder im Garten, sofern vorhanden, wären sinnvoll, allein schon um Licht und Luft zu genießen.

Bewegung ist gut, sollte aber nicht übertrieben werden. Wer jetzt beispielsweise intensiv die Fitnessgeräte im Keller bearbeitet, obwohl eine Infektion bestätigt worden ist, beschleunigt die Genesung keineswegs. Im Gegenteil. Von diversen Infektionen, beispielsweise mit Influenza-Viren, ist bekannt, dass sie das Risiko für Herzkreislaufleiden erhöhen.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2020
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