Es gehörte zu den erstaunlichen Entwicklungen der Corona-Pandemie, wie bereitwillig viele Menschen ihre Nähmaschinen hervorholten, wie liebevoll und kreativ sie Bedeckungen für Mund und Nase fertigten, als die Apotheken heillos ausverkauft waren. Und so sah man sie bald überall: Masken in allen Farben und Formen, von funktional bis witzig. Als Symbol des Engagements und der Solidarität sind sie zweifellos ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen die Pandemie. Weniger sicher ist dagegen, wie effektiv solcherart Behelfslösungen tatsächlich sind. Nun erkundeten mehrere Studien ihre Wirksamkeit - und offenbarten große Unterschiede.
Darunter auch eine Arbeit aus Großbritannien, wonach eine der getesteten Gesichtsbedeckungen womöglich eher schadet als nützt. Die Forscher hatten 14 verschiedene Produkte untersucht. Sie ließen einen Menschen durch all diese Barrieren sprechen und maßen, wie viele Tröpfchen es hindurch schafften - verglichen mit dem Sprechen ohne Bedeckung. Die zellstoffartige OP-Maske, die es in der Apotheke zu kaufen gibt, hielt mindestens 90 Prozent der Tröpfchen zurück. Diverse selbstgefertigte Masken aus zwei Lagen Baumwolle fingen etwa 80 Prozent auf. Ein Bandana-Tuch dagegen ließ mindestens die Hälfte der Tröpfchen hindurch.
Und dann kam die Überraschung, so Autor Martin Fischer von der Duke University: "Der gesunde Menschenverstand lässt erwarten, dass es besser ist, irgendetwas im Gesicht zu tragen als gar nichts. Doch das war hier nicht der Fall". Als der Sprecher eine Fleece-Bedeckung trug - einen über das Gesicht gezogenen Schlauchschal, wie ihn Sportler gerne verwenden - kamen am Ende mehr Tröpfchen heraus als beim ungehinderten Sprechen. Die Forscher vermuten, dass das Material die Tröpfchen fein zerstäubte. Damit könnte das Produkt kontraproduktiv sein, denn kleinere Tröpfchen verbleiben länger in der Luft und können weiter fliegen als größere, warnen die Autoren.
Sehr gut schnitten Masken mit zwei Lagen aus unterschiedlichen Materialien ab
Pandemie:Was Forscher bislang über das Coronavirus wissen
Mehr als ein halbes Jahr dauert die Pandemie bereits an, doch immerhin: In mancher Hinsicht sind Wissenschaftler jetzt schlauer. Ein Überblick.
Die Studie ist nur klein; es ist fraglich, ob sich die Erkenntnisse verallgemeinern lassen. Dennoch passen die Erkenntnisse zu anderen Arbeiten, die gezeigt haben, dass Maske nicht gleich Maske ist. So hat ein US-Team verschiedene Materialien mithilfe einer Apparatur getestet, die Partikel erzeugte. Es fanden sich ebenfalls Ausreißer nach unten: Eine Lage grob gewebter Baumwolle etwa hielt nur rund zehn Prozent der kleinen Teilchen zurück. Besonders zuverlässigen Schutz boten der Untersuchung zufolge Masken, die eine Lage Baumwolle mit einer weiteren aus Seide, Chiffon oder Flanell kombinierten. Indem die unterschiedlichen Stoffe aneinander reiben, laden sie sich elektrostatisch auf, ziehen damit die Partikel an und erhöhen die Chance, dass sie in der Maske hängen bleiben, so die Erklärung.
Nun sind Alternativlösungen längst nicht nur für Menschen, die an der Supermarktkasse anstehen, von Belang. Im Gesundheitswesen waren Masken teilweise so knapp, dass sich US-Forscher vor Kurzem veranlasst sahen, auch Notlösungen für den professionellen Gebrauch zu testen: N95-Masken, deren Verfallsdatum schon vor mehr als zehn Jahren abgelaufen war, sterilisierte und wiederverwendete Produkte gehörten dazu.
OP-Masken müssen fest um den Kopf gebunden werden - sonst ist der Selbstschutz gering
N95-Masken tragen ihren Namen, weil sie mindestens 95 Prozent aller Partikel aus der Umgebungsluft auffangen. Sie schützen daher auch ihre Träger und sind vor allem für medizinische Angestellte, die in Kontakt zu potenziell Infizierten kommen, wichtig. In dem aktuellen Test schafften die in den USA gebräuchlichen Produkte die 95 Prozent spielend - selbst dann noch, wenn sie mit Desinfektionsmitteln oder Hitze behandelt wurden oder schon vor Jahren abgelaufen waren. OP-Masken dagegen schützten den Träger vor etwa 75 Prozent der Tröpfchen, wenn sie mit Bändern fest um den Kopf gebunden waren. Waren diese Masken hingegen mit einem nicht verstellbaren Gummiband hinter den Ohren befestigt, hielten sie nur 38 Prozent der kleinen Teilchen auf.
Was bedeuten diese Werte nun? Zunächst, dass es ein sehr komplexes Unterfangen ist, die Effektivität der Gesichtsmasken zuverlässig einzuschätzen. Tröpfchengröße, Material, Sitz, der Abstand zu anderen Menschen und Umweltfaktoren spielen eine Rolle. Hinzu kommt, dass die Infektionswege von Sars-CoV-2 noch immer nicht komplett verstanden sind. Wie hoch muss die Virendosis sein, um einen anderen Menschen zu infizieren? Welche Rolle genau spielen Aeorosole, also winzig kleine Tröpfchen? Beides ist nicht sicher, spielt aber in die Diskussion um den Sinn der Masken hinein.
Dennoch deuten die Erfahrungen in Ländern, die Masken eingeführt haben, darauf hin, dass der Mund-Nasen-Schutz durchaus einen Nutzen hat, selbst wenn dessen Effektivität keine perfekten Werte erreicht. Wenn die Masken den Großteil der Partikel filtern, genüge dies womöglich, um Krankheiten in den meisten Fällen zu verhindern, schrieben die Infektionsspezialistinnen Caitlin Dugdale und Rochelle Walensky im Fachblatt Jama Internal Medicine . Und am Ende sei wahrscheinlich ohnehin nicht die Labormessung entscheidend, sondern die Tatsache, wie zuverlässig die Menschen den Gesichtsschutz benutzen. Mit anderen Worten: Selbst eine improvisierte, aber fest im Gesicht sitzende Bedeckung dürfte in aller Regel mehr Nutzen haben als eine tip-top-geprüfte Maske, die unter dem Kinn hängt.