Süddeutsche Zeitung

Corona-Ausbreitung:Gefahrenzone Großraumbüro

In einem Callcenter in Südkorea ging vermutlich von einem Mitarbeiter eine Infektionskette aus, die unbemerkt fast hundert Kollegen erkranken ließ. Im eigenen Haushalt war die Gefahr deutlich geringer.

Von Christina Kunkel

Viele Menschen arbeiten im Moment im Home-Office. Eine Untersuchung zu einem Coronavirus-Ausbruch in Südkorea zeigt jetzt, dass diese Maßnahme zum Schutz vor einer Ansteckung keinesfalls übertrieben ist. Denn was passieren kann, wenn ein Infizierter unbemerkt in einem Großraumbüro arbeitet, ist nach Einschätzung von Forschern der koreanischen Seuchenschutzbehörde KCDC "alarmierend."

Die Wissenschaftler untersuchten den Ausbruch von Covid-19 in einem Hochhaus in Seoul. Eigentlich gilt Südkorea als Vorbild beim Eindämmen des Virus, konnte man dort über lange Zeit die Infektionen frühzeitig erkennen, nachverfolgen und die Betroffenen schnell isolieren. Doch im jetzt beschriebenen Fall eines Callcenters war die Ausbreitung offenbar so schnell, dass eine frühzeitige Unterbrechung der Infektionsketten nicht mehr möglich war.

In dem 19-stöckigen Hochhaus gab es am 8. März den ersten bestätigten Corona-Fall - ein Mitarbeiter eines Callcenters im elften Stock. Nur einen Tag später wurde der gesamte Wolkenkratzer gesperrt, in dem insgesamt 1143 Menschen leben oder arbeiten. Alle wurden getestet, am Ende zählten die Behörden 97 Corona-Positive. Von diesen arbeiteten 94 im Callcenter auf der elften Etage - also im selben Großraumbüro wie der erste bestätigte Infizierte. Somit konnte sich das Virus extrem schnell und unbemerkt auf der Etage verbreiten, bevor überhaupt der erste positive Test vorlag.

Von den 216 Mitarbeitern im 11. Stock hatte sich fast jeder Zweite mit dem Coronavirus infiziert. Auf der Seite des Gebäudes, auf der der erste bestätigte Fall arbeitete, war die Zahl der Erkrankten deutlich höher als auf der anderen Seite.

Die Forscher untersuchten jedoch auch, wie sich das Coronavirus in den Haushalten der Betroffenen weiterverbreitete. Von 225 Kontaktpersonen in den heimischen Haushalten infizierten sich nachweislich 34 mit Sars-CoV-2. Damit war die Ansteckungsrate mit 16,2 Prozent deutlich geringer als bei den Kollegen auf dem selben Stockwerk wo sich 43,5 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter infizierten.

Von den 97 Corona-Fällen aus dem Hochhaus hatten nur vier Personen in der zweiwöchigen Quarantäne keinerlei Symptome. Von denen steckte keiner weitere Menschen im eigenen Haushalt an. In anderen Studien gingen Forscher davon aus, dass jede dritte Corona-Infektion ohne Symptome verläuft und von diesen Fällen eine mindestens ebenso hohe Ansteckungsgefahr ausgeht wie von Erkrankten mit Symptomen.

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