Coronavirus:Ethiker warnen vor zu hastigen Studien

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Das Bundesgesundheitsministerium in Bonn. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Medikamente und Impfstoffe gegen Covid-19 sollen möglichst schnell verfügbar sein. Doch Experten sorgen sich um die Patienten, an denen sie getestet werden.

Von Christina Berndt

Neue Medikamente und möglichst bald ein Impfstoff - angesichts der Pandemie werden medizinische Innovationen sehnsüchtig erwartet. Schließlich würden sie nicht nur Patienten mit Covid-19 helfen, sondern auch ein Leben ähnlich dem vor der Pandemie ermöglichen. Regierungen und Arzneimittelbehörden haben daher bereits angekündigt, dass Hersteller von Medikamenten und Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 auf eine beschleunigte Zulassung hoffen können. Doch eben das versetzt Ethiker in Sorge.

"Es ist sicher sinnvoll, schnell Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln, aber wir befürchten, dass dadurch schutzwürdige Interessen von Studienteilnehmern unterlaufen werden", sagte Joerg Hasford, der Vorsitzende des Arbeitskreises medizinischer Ethik-Kommissionen, der SZ. So heißt es in einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für eine Verordnung, die den medizinischen Bedarf in Zeiten der Epidemie sicherstellen soll, dass das BMG die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zum Schutz von Versuchspersonen außer Kraft setzen könne.

Der Schutz von Testpersonen könnte auch in anderen Bereichen sinken

"Die Pauschalität dieser geplanten Ermächtigung ist gefährlich", sagt Hasford. "Sollte das realisiert werden, dann könnte das Sicherheit und Wohlergehen der Patienten, die an klinischen Studien teilnehmen, empfindlich beeinträchtigen." Die Sorge teilt auch der Europäische Ethikrat - und fürchtet eine Ausweitung: "Unter dem extremen Druck zur Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten in der Corona-Pandemie könnte der Schutz von Versuchspersonen und Patienten auch in anderen Bereichen sinken", sagt die Vorsitzende Christiane Woopen. Ausnahmen von den Standards zum Schutz von Menschen in einer klinischen Prüfung dürften nicht einfach pauschal vorgesehen werden, mahnt sie. "Es ist unverzichtbar, sie im Einzelnen zu prüfen und zu begründen, ob und warum sie erforderlich sind."

Der Arbeitskreis der Ethik-Kommissionen hinterfragt zudem, ob eine informierte Zustimmung von Covid-19-Patienten zur Teilnahme an Studien überhaupt möglich ist. Allein die Art der Erkrankung mit Luftnot und dem Gefühl, lebensbedrohlich erkrankt zu sein, erschwere die freie Willensbildung. Hinzu kommen die Besuchsbeschränkungen und die Schutzausrüstung der Ärzte, die eine Kommunikation erschweren. "Die Patienten sind isoliert und können nicht mehr von ihren Angehörigen beraten werden", sagt Hasford.

Doch der derzeitige Fokus auf die Covid-19-Forschung birgt noch weitere Probleme: Untersuchungen zu anderen Krankheiten könnten ins Hintertreffen geraten. In manchen Ländern der EU werde die Genehmigung von klinischen Studien zu anderen Krankheiten als Covid-19 aufgrund von Überlastung bereits ausgesetzt. "Das finde ich ethisch eine Katastrophe", so Hasford. "Es gibt ja auch andere Patienten, die lebensbedrohliche Erkrankungen haben. Sie haben das gleiche Recht auf medizinischen Fortschritt wie ein Patient mit Covid-19."

© SZ vom 18.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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