Kinder und Sars-CoV-2:Die Kleinsten könnten am infektiösesten sein

Kinder und Sars-CoV-2: Ob in der Kita oder der Familie, kleine Kinder suchen die Nähe - und können damit auch Erreger übertragen.

Ob in der Kita oder der Familie, kleine Kinder suchen die Nähe - und können damit auch Erreger übertragen.

(Foto: Robert Haas)

Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass jüngere Kinder das Coronavirus besonders häufig in ihren Familien weitergeben.

Von Berit Uhlmann

Es ist eine der umstrittensten Fragen der Pandemie: Welche Rolle spielen Kinder bei der Übertragung von Sars-CoV-2? Ein kanadisches Forscherteam legt nun eine neue Arbeit vor, die einem Teil der vorangegangen Studien widerspricht. Die im Fachblatt Jama Pediatrics veröffentlichte Analyse legt nahe, dass kleine Kinder das Virus zwar eher selten in ihre Familien einschleppen. Haben sie sich aber doch infiziert, geben sie den Erreger häufiger weiter als ältere Kinder.

Die Wissenschaftler um Lauren Paul von der Gesundheitsbehörde Public Health Ontario hatten alle Corona-Infektionen ausgewertet, die sich im zweiten Halbjahr 2020 in der kanadischen Provinz Ontario ereigneten. Sie fanden insgesamt knapp 6300 Haushalte, in denen ein Kind oder Jugendlicher das Coronavirus mit nach Hause brachte.

Die Analyse dieser Daten deutet darauf hin, dass Kinder das Virus umso häufiger in ihre Familien einschleppen, je älter sie sind. So waren 14- bis 17-Jährige für 38 Prozent der eingeschleppten Fälle verantwortlich, Unter Vierjährige dagegen nur für zwölf Prozent. Dass ältere Kinder sich häufiger außerhalb der Familie anstecken, ist plausibel, sie haben schließlich auch mehr Kontakte außerhalb des Haushalts.

Als die Forscher aber analysierten, welche Folgen es hatte, wenn der Nachwuchs erst einmal infiziert war, änderte sich das Bild: Kinder zwischen null und drei Jahren steckten ihre Angehörigen mit einer 20 bis 40 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit an als ältere Kinder.

Ein infizierter Dreijähriger kann sich nicht komplett isolieren

Gründe für diese Beobachtung nennen die Autoren nicht. In einem begleitenden Kommentar halten Susan Coffin und David Rubin, Kinderärzte der University of Pennsylvania in Philadelphia, sie dennoch für überzeugend. Sie vermuten, dass das Verhalten der Jüngsten eine entscheidende Rolle spielt. Kleine Kinder sind schwer bis gar nicht zur Einhaltung von Hygieneregeln zu bewegen. Körperkontakt zu Eltern und Geschwistern ist für sie enorm wichtig. Sind sie erkrankt, brauchen sie intensivere Zuwendung. Eine 17-Jährige mag sich halbwegs gut in ihrem Zimmer isolieren können. Ein Dreijähriger ist dazu nicht in der Lage.

Frühere Studien hatten vermuten lassen, dass jüngere Kinder Sars-CoV-2 eher selten übertragen. Die Diskrepanz erklären die beiden Kommentatoren in erster Linie damit, dass die vorangegangenen Arbeiten aus sehr frühen Phasen der Pandemie stammen. Damals befanden sich die Familien über weite Strecken im Lockdown, Kinder konnten ihr Potenzial als Überträger damit gar nicht zeigen. Die aktuelle Studie dagegen stammt aus einer Zeit, in der Kitas, Schulen und andere Einrichtungen geöffnet waren und Kinder ein weniger eingeschränktes Leben führten.

In Zukunft dürfte kleineren Kinder eine größere Rolle im Infektionsgeschehen zukommen, da sie derzeit nicht geimpft werden können. Lauren Paul und Kollegen mahnen daher, die neuen Erkenntnisse zu berücksichtigen und bei der Pflege infizierter Kleinkinder so viel Vorsicht wie möglich walten zu lassen. Geschwister sollten sich von den positiv Getesteten fernhalten, Masken sollten getragen und die Hände häufig gewaschen werden.

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