Von Lockdown bis Homeschooling: Die Corona-Pandemie hat den Menschen viel abverlangt. Und bisweilen mussten sie einfach darauf vertrauen, dass die gerade aktuellen Maßnahmen tatsächlich nötig sind. Wie gut ist das gelungen? Auf wen hörten die Menschen in der Kakophonie der Stimmen? Französische Wissenschaftler haben Antworten auf diese Fragen gesucht und analysiert, wem die Menschen im Kampf gegen das Coronavirus am ehesten vertrauten: der Wissenschaft, der Regierung oder ihren Mitmenschen? Das Team um den Pariser Ökonomen Yann Algan hat dazu im vergangenen Jahr etwa 54 000 Erwachsene aus zwölf Ländern, darunter auch Deutschland, mehrfach befragt (PNAS).
Bei allen individuellen Unterschieden zeigte sich, dass die Befragten am ehesten auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bauten. Im Schnitt vertrauten ihnen 84 Prozent aller Studienteilnehmer. Dieses Vertrauen erwies sich zugleich als Schlüssel zur Akzeptanz der Corona-Maßnahmen: Menschen, die Forschung große Bedeutung einräumten, hielten sich tendenziell auch stärker an die Corona-Regeln. Sie waren auch eher zur Impfung bereit.
Das Vertrauen in die Regierung war in dieser Stichprobe weniger stark ausgeprägt: Nur jeder Zweite baute auf die politische Führung. Zugleich wirkte sich diese Zustimmung nur leicht auf die Einhaltung der Corona-Regeln und die Impfbereitschaft aus. Dabei dürfte eine große Rolle spielen, dass die Autoren Länder wie die USA und Brasilien einbezogen, in denen Regierungschefs wissenschaftliche Empfehlungen unterminierten.
Dass das Vertrauen in die Wissenschaftler in den untersuchten Ländern größer als das Vertrauen in die Regierung ist, untermauerten die Studienautoren mit einer hypothetischen Frage: Würden Menschen Masken auch zu Hause tragen, wenn es ihnen ihre Regierung, die WHO oder ein Medizin-Nobelpreisträger empfehlen würde? In fast allen Ländern waren die Menschen eher zu dem Schritt bereit, wenn der Rat von der WHO oder dem hochangesehenen Forschenden käme.
In Deutschland war die Zustimmung zur Regierung überdurchschnittlich hoch
Personen mit ausgeprägtem Vertrauen in die Mitmenschen waren ebenfalls eher zur Impfung bereit. Offenbar, so die Autoren, nehmen sie die gesellschaftlichen Vorteile der Immunisierungen stärker in den Blick. Anderseits akzeptierte diese Gruppe Corona-Beschränkungen tendenziell besonders schlecht. Die Gründe dafür sind nicht klar, die Autoren vermuten jedoch, dass diese Menschen eher von freiwilligen Maßnahmen angesprochen werden und strikte Regulierungen nicht goutierten.
Im Ländervergleich zeigten die Neuseeländer das größte Vertrauen in Regierung, Wissenschaftler und Mitmenschen. Dagegen waren die Werte in Frankreich, Polen und Brasilien zum Teil sehr niedrig. Deutschland lag eher im Mittelfeld, fiel jedoch durch ein überdurchschnittliches Vertrauen in die Regierung auf.
Zugleich zeigten die Forscher jedoch, dass das Vertrauen in die Wissenschaft im Laufe der Pandemie nachließ - und damit auch die Akzeptanz der Corona-Regeln. Wichtig für dieses Vertrauen ist nach Ansicht der Autoren, ob Menschen Forschende als unabhängig von der politischen Führung wahrnehmen. In Ländern, wie Brasilien, Italien, Frankreich und Polen, wo das Vertrauen in die Forschung besonders abnahm, glaubte eine zunehmende Zahl von Befragten, dass Wissenschaftler Informationen verbergen. Es sei daher wichtig, die Unabhängigkeit wissenschaftlicher Institutionen zu bewahren und zu demonstrieren, schreiben die Autoren. Gerade in Ländern mit geringerem Vertrauen in die Regierung könnte die Wissenschaft als Korrektiv dienen.