"Ich bin nicht grundsätzlich gegen die Impfung, möchte es mir aber noch überlegen. Ich lasse mich ungern unter Druck setzen."
Keiner will Druck oder Zwang - so weit verständlich. Allerdings gilt: Bei den aktuellen Inzidenzen steigt die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, mit jedem Tag. Mit einem vollständigen Impfschutz kann man etwa zwei Wochen nach der zweiten Impfung rechnen, die wiederum frühestens drei, besser vier Wochen nach der ersten Impfung möglich ist. Wer sich also heute für die Impfung entscheidet, hat erst in fünf bis sechs Wochen einen vollständigen Impfschutz.
"Die Impfung bringt doch nichts, auch Geimpfte können sich ja infizieren und das Virus weitergeben."
Das stimmt zwar, verkennt aber die Größenordnung. Richtig ist, dass keine Impfung einen umfassenden, hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion und Übertragung leisten kann. Nur: "Impfungen schützen nicht nur die geimpfte Person vor Ansteckung und schwerer Erkrankung", schreibt eine Corona-Expertengruppe um die Physikerin Viola Priesemann, die Virologinnen Sandra Ciesek und Ulrike Protzer, den Infektiologen Leif Erik Sander, den Epidemiologen André Karch sowie den Modellierer Kai Nagel in einer aktuellen Stellungnahme. "Sie reduzieren auch die Übertragung des Virus von Geimpften auf deren Kontaktpersonen." Wenn es zu einer Ansteckung kommt, sind die Symptome weniger stark oder gar nicht vorhanden, zudem ist die Viruslast geringer, und man ist deutlich kürzere Zeit ansteckend.
Problematisch also wird es vor allem, wenn das Virus unter Geimpften zirkuliert und dann einen Ungeimpften infiziert, der daraufhin womöglich schwer erkrankt. Genau darum geht es aber - die Menge der Schwerkranken zu senken: Derzeit haben Intensivstationen große Mühe, noch mehr Patienten aufzunehmen. Jeder Mensch, der eine milde Infektion außerhalb einer Klinik übersteht, schützt deshalb auch die Kapazitäten im Gesundheitswesen.
"Ich bin jung und werde nicht schwer erkranken. Ich mache mir - wenn überhaupt - nur Sorgen um meine Mitmenschen. Deswegen teste ich mich alle zwei Tage."
Richtig ist, dass das Risiko für einen schweren Verlauf mit dem Alter steigt, leider können aber auch 30-Jährige an der Infektion sterben. Die Idee, sich regelmäßig zu testen, ist zwar gut, nur: Antigen-Schnelltests sind nicht hundertprozentig sicher, man kann beispielsweise infektiös sein, bevor der Test anschlägt - wenn er denn anschlägt. Mithilfe von Tests also lässt sich eine Infektion nicht verhindern, wenn überhaupt wird die Wahrscheinlichkeit reduziert, das Virus weiterzugeben. Tests ersetzen also die Impfung nicht, sondern sind eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme.
"Der eine Experte sagt so, der andere so, ist also eine Meinungssache, ob die Impfung hilft."
Nein, ist es nicht. Der angebliche Streit der Wissenschaft ist ein Missverständnis. Was stimmt: Insbesondere zu Beginn der Pandemie wusste man zu bestimmten Details noch wenig, etwa zum Übertragungsweg über Aerosole in der Luft oder zur Wirkung von Masken. Auch über den Sinn von Schulschließungen konnte man zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Mittlerweile aber gibt es unter seriösen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Kernfragen einen großen Konsens: Jeder Mensch in Deutschland wird früher oder später mit Sars-CoV-2 in Kontakt kommen. Und die Impfung ist bisher der einzige Weg, der vor einer schweren Erkrankung oder dem Tod schützt.
"Die Booster-Debatte zeigt ja, dass die Impfungen schlecht wirken. Soll ich mich jetzt jeden Winter impfen lassen? Nein danke!"
Nein, die Diskussion um die Booster-Impfung zeigt, dass das menschliche Immunsystem keine Maschine ist. Der Impfschutz ist nach zwei Spritzen sehr gut, aber er ist insbesondere bei älteren Menschen nicht immer ausreichend und scheint zudem nach Monaten etwas abzufallen. Eine Auffrischung ist deshalb sinnvoll, um den Schutz aufrechtzuerhalten und, auch für jüngere Menschen, um eine weitere Übertragung trotz Impfung so gut es geht einzuschränken.
"Wenn 2G überall kommt, schaue ich einfach, dass ich mich irgendwo infiziere. Weniger Aufwand als die Spritze."
Der Aufwand, sich impfen zu lassen, ist mittlerweile nicht besonders hoch. In zahlreichen Städten und Gemeinden gibt es mobile Impfteams und Impflokale, die auch ohne Termin Impfungen anbieten und niemanden abweisen. Sich zu infizieren, ist natürlich auch möglich, aber verbunden mit dem Risiko eines schweren Verlaufs und möglicher Langzeitschäden wie chronischer Müdigkeit, Atembeschwerden oder Herzleiden. Außerdem steckt jeder Infizierte potenziell weitere Menschen an, die im schlimmsten Fall schwer erkranken oder sterben. Dass man bisher ein "starkes Immunsystem" hatte, ist keine Garantie dafür, nicht doch zu erkranken.
"Mir geht das alles zu schnell mit den Impfungen. Ich befürchte Langzeitfolgen. Wer weiß, was sie mit meinem Körper in zehn Jahren machen."
Tatsächlich verlief die Entwicklung der Corona-Impfstoffe schnell - was im Zuge einer globalen Gesundheitskrise aber nicht ungewöhnlich ist. Die Technologie der mRNA-Imfpstoffe selbst aber ist jahrzehntealt und weltweit erforscht. Sie ist keine Corona-Erfindung. Und die Sorge vor Langzeitschäden nach der Impfung ist unbegründet, da sehr seltene Nebenwirkungen, wenn überhaupt, unmittelbar als Reaktion des Immunsystems auf die Impfung auftreten. Und zwar innerhalb von Minuten, Tagen oder wenigen Wochen. Gerade weil schon mehr als sieben Milliarden Impfdosen weltweit gespritzt wurden, sind die sehr seltenen Nebenwirkungen in der Größenordnung von 1 : 30 000 überhaupt nur aufgefallen.
Wenn es bei anderen Impfungen Jahre gedauert hat, bis Nebenwirkungen bekannt wurden, obwohl sie früh aufgetreten waren, liegt das daran, dass sie so selten waren. Der Impfstoff musste erst über Jahre verabreicht werden, bis das Problem der Impfung zugeordnet werden konnte.
"Ich finde es gruselig, wie Pharmafirmen dicken Profit mit den Impfungen machen. Mich stört das Kapitalistische an der Sache sehr. Würde es non-profit-Impfstoffe geben, würde ich es mir überlegen."
Die Firmen mussten erhebliche Kosten und Risiken einkalkulieren, als sie sich auf die Impfstoffentwicklung einließen. Es war damals unklar, ob es zum marktreifen, sicheren Produkt kommen würde - bei Curevac in Tübingen hat das beispielsweise trotz großer Expertise und früher Planung bisher nicht geklappt. Forschung und Entwicklung sind meistens teurer als die Zutaten für den Impfstoff und die Produktion selbst.
Zudem gilt ebenso es das Argument, dass gerade die Aussicht auf wissenschaftlichen Ruhm und ordentliche Gewinne die Zusatzmotivation dafür war, dass so schnell gleich mehrere wirksame und sichere Impfstoffe entwickelt wurden - die immerhin Menschenleben retten. Die kleinen, innovativen Firmen haben diesen Schritt gewagt, die großen haben als Kooperationspartner bei Produktion und Vertrieb geholfen.
"Impfen, um die Kliniken zu entlasten? Naja, es gibt doch 22 000 Intensivbetten in Deutschland. Warum sollten dann 2500 oder auch 5000 Covid-Intensivpatienten ein Problem sein?"
Bundesweit melden die Intensivstationen weniger als 2500 freie Intensivbetten, das sind gerade einmal elf Prozent der gesamten Kapazität. 14 Prozent der Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen sind an Covid-19 erkrankt - und ihre Zahl wächst exponentiell, verdoppelt sich also innerhalb weniger Wochen. Derzeit sind es etwa 2600 Covid-Patienten, geht das Wachstum so weiter, könnten es in drei bis vier Wochen bereits 5000 sein. Mehr Intensivbetten, und vor allem mehr Pflegekräfte, gibt es aber nicht. In Bayern ist die Lage noch dramatischer. 24 Prozent der Intensivbetten sind mit Covid-19-Patienten belegt, gerade einmal acht Prozent sind noch frei.
Das Problem: Die Intensivmedizinerinnen und -mediziner sprechen bereits dann von einer Überlastung, wenn weniger als 15 Prozent der Betten verfügbar sind. Eine durchschnittliche Intensivstation hat zehn bis zwölf Betten. Eines davon muss für Notfälle freigehalten werden. Unfälle oder Schlaganfälle lassen sich schließlich nicht planen. Viele Krankenhäuser sind deshalb jetzt schon überlastet, sie müssen planbare, nicht zwingend notwendige Operationen verschieben. Dies aber ist vor allem für jene Patientinnen und Patienten gefährlich, die nicht an Covid erkrankt sind, sondern aus anderen Gründen eigentlich dringend behandelt werden müssen.
"Ich finde Gen-Impfstoffe gruselig. Ich warte lieber, bis es andere Impfstoffe gibt, die ohne das Genzeugs auskommen."
Ein bisschen "Gen" steckt in jedem Impfstoff. Richtig ist: Die mRNA-Impfstoffe schleusen einen Bauplan des Oberflächenproteins des Coronavirus in die Zellen ein - wie er in der Natur auch vorkommt. Die Zellen bauen daraufhin dieses Protein nach der "Anleitung" und zeigen das Ergebnis dem Immunsystem. Damit ist dieses vorgewarnt. Kommt das echte Virus vorbei, kann das Immunsystem früher und schlagkräftiger angreifen. Der Bauplan selbst zerfällt, er bleibt nicht im Körper, von der mRNA ist schon nach wenigen Wochen nichts mehr nachweisbar. Und überhaupt gelangt er nie zu den Genen des Menschen in den Zellkern. Er kann dort also auch keinen Schaden anrichten, selbst, wenn er wollte. Mehr dazu lesen Sie hier ...
"Ich warte trotzdem lieber auf einen Totimpfstoff, die werden ja gerade entwickelt."
Einen Totimpfstoff zu bevorzugen, ist medizinisch nicht sehr überzeugend. Diese müssen erst von anderen Substanzen gereinigt werden und enthalten zudem oft Wirkverstärker, die in der Vergangenheit bei anderen Impfstoffen unerwünschte Wirkungen ausgelöst haben. Außerdem braucht es Zeit, bis klinische Studien gezeigt haben, dass sie sicher und wirkungsvoll sind.