Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Jugend schützt nicht vor Corona-Leiden

  • Eine große Auswertung der Harvard University zeigt die Gefahren einer Infektion mit Sars-CoV-2 für junge Erwachsene
  • Starkes Übergewicht und Bluthochdruck erhöhen in jedem Alter das Risiko
  • Jüngere Patienten mit Vorerkrankungen haben das gleiche Risiko für einen schweren Verlauf wie ältere Menschen ohne andere Krankheiten

Von Werner Bartens

In den vergangenen Wochen sind die Infektionszahlen in Deutschland und anderen europäischen Ländern zwar wieder gestiegen, doch der Anteil der schweren Verläufe nimmt nicht in ähnlicher Weise zu. Nur wenige Covid-19-Patienten müssen auf Intensivstationen behandelt werden und im Vergleich zum Frühjahr sterben auch deutlich weniger Menschen, die sich angesteckt haben. Zumeist erklären Experten dies damit, dass sich mittlerweile hauptsächlich jüngere Erwachsene mit Sars-CoV-2 infizieren: Etwa 60 Prozent der Betroffenen sind unter 35 und es gilt als ausgemacht, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nicht so schwer erkranken wie ältere Menschen.

Grund zu einer weitgehenden Entwarnung für die Jüngeren ist das allerdings nicht, wie eine Auswertung im Fachmagazin JAMA Internal Medicine zeigt. Ärzte des Brigham and Women's Hospital in Boston, des großen Lehrkrankenhauses der Universität Harvard, haben untersucht, wie es 3222 jungen Erwachsenen ergangen ist, die mit einer Covid-19-Erkrankung in Kliniken in den USA behandelt werden mussten. Zwar gab es schon früher Berichte und medizinische Fallbeschreibungen von schweren oder gar tödlichen Verläufen bei jungen Menschen mit Covid-19. Diese wurden jedoch oft als Ausnahmen und Einzelfälle abgetan. Die Auswertung aus Harvard liefert nun eine breite Datenbasis für die Altersgruppe der jüngeren Erwachsenen.

Die untersuchten Patienten waren zwischen 18 und 34 Jahre alt. Es wurden nur jene in die Analyse aufgenommen, die aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus ins Krankenhaus mussten. Das ist wichtig, denn in der Diskussion um schwere Verläufe und Todesfälle wird gelegentlich kritisiert, dass auch Patienten in den einschlägigen Statistiken auftauchen, die wegen Notfällen oder anderer Erkrankungen in die Klinik mussten und bei denen später ein Test auf Sars-CoV-2 positiv ausfiel, ohne dass sie heftige Symptome hatten.

Von sehr schweren Verläufen waren zu 65 Prozent Männer betroffen

Die in der Studie betrachteten Kranken, die in den Monaten April, Mai und Juni in amerikanischen Kliniken wegen Covid-19 stationär aufgenommen wurden, waren im Mittel 28 Jahre alt. Der Anteil der Schwarzen und Hispanics lag über der Hälfte und war damit überdurchschnittlich hoch. Knapp 58 Prozent der Patienten waren Männer, ihr Anteil an den sehr schweren Verläufen betrug sogar 65 Prozent. Von den 3222 stationären Patienten mussten 21 Prozent auf einer Intensivstation behandelt werden, bei zehn Prozent war eine Beatmung notwendig, 2,7 Prozent starben.

Wie auch von älteren Kranken bekannt ist, zeigte sich, dass besonders jene Patienten schwere Verläufe befürchten mussten, die andere Erkrankungen aufwiesen oder sehr dick waren. Knapp 37 Prozent der Patienten und damit deutlich mehr als im Landesschnitt waren fettleibig und hatten einen Body-Mass-Index (BMI) über 30. Krankhafte Fettleibigkeit mit einem BMI jenseits von 40 wiesen immerhin noch 24,5 Prozent der jüngeren Patienten auf, die stationär behandelt werden mussten. Von jenen Patienten, die starben oder beatmet wurden, hatten 41 Prozent einen BMI in diesem Extrembereich. Auch Diabetes und Bluthochdruck kamen in der untersuchten Patientengruppe häufiger vor.

Übergewicht und Bluthochdruck lassen sich durch einen gesunden Lebensstil beeinflussen

Der enge Zusammenhang zwischen diesen Leiden und einem schweren Krankheitsverlauf von Covid-19 zeigte sich deutlich. Krankhafte Fettleibigkeit und Bluthochdruck erhöhten das Risiko, beatmet werden zu müssen oder gar zu sterben um das Zweieinhalbfache. Die Wahrscheinlichkeit für Diabetiker war hingegen ein wenig, aber nicht signifikant erhöht. "Wer von den jüngeren Patienten zwei oder mehr der genannten Risikofaktoren aufweist, hat das gleiche Risiko für einen schweren Verlauf wie Menschen zwischen 35 und 64 Jahren ohne andere Erkrankungen, die Covid-19 bekommen", schlussfolgern die Autoren.

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Die Ärzte der Harvard University betonen, dass jüngere Menschen zwar insgesamt nicht so schwer an Covid-19 erkranken und im Krankenhaus seltener beatmet werden müssen oder gar sterben. Dennoch liege die Sterblichkeit an Covid-19 in dieser Altersgruppe ungefähr doppelt so hoch wie bei jüngeren Patienten, die einen Herzinfarkt erleiden.

Die Überzeugung von etlichen Laien und Ärzten, dass "nur" ältere Menschen nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 bedrohlich erkranken können, erweist sich immer mehr als Trugschluss. "Leider spart Covid-19 auch junge Leute nicht aus", betont der New Yorker Gesundheitsexperte Mitchell Katz in einem Kommentar für Jama Internal Medicine. "Wenn es so weit ist, dass sie ins Krankenhaus müssen, sind ihre Risiken beachtlich." Zudem zeige sich, dass starkes Übergewicht, Bluthochdruck und männliches Geschlecht in jedem Alter die Gefahr für schwere Verläufe erhöhen. Da sich Adipositas und Bluthochdruck behandeln und durch einen gesünderen Lebensstil beeinflussen lassen, sollte gerade bei jüngeren Menschen die Prävention verstärkt werden. Katz schließt mit einem Appell, denn Covid-19 könne in jeder Altersgruppe lebensbedrohlich sein: "Deshalb sind Abstand halten, Hygiene und Schutzmasken für junge Leute genauso wichtig wie für alte."

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