Das Zika-Virus wurde neuen Genanalysen zufolge viel eher nach Lateinamerika eingeschleppt als bislang gedacht. Chronologie der Ereignisse. 1947: Im Zika-Wald in Uganda wird ein neues Virus entdeckt und nach seinem Entdeckungsort benannt. In den folgenden 50 Jahren werden nicht einmal 15 Erkrankungen mit dem Erreger gemeldet; die wenigen Fälle ereignen sich ausnahmslos in Afrika und Südostasien. 2007 kommt es zu einem Ausbruch auf den Yap-Inseln und 2013 bis 2014 zu einem in Französisch-Polynesien. Beide Inselgruppen liegen im Südpazifik. Damals schien der Erreger grippeähnliche Beschwerden, aber keine nennenswerten Probleme zu bereiten.
Mai bis Dezember 2013: Irgendwann in diesem Zeitraum scheint das Virus nach Brasilien gelangt zu sein. Es handelte sich offenbar um eine einzige Einschleppung, wie Genetiker nun durch die Analyse von Zika-Viren herausgefunden und im Fachmagazin Science beschrieben haben. Das bedeutet, dass anders als ursprünglich gedacht nicht die Fußball-WM 2014 das Einfallstor für den Erreger war. Woher das eingeschleppte Virus stammt, können die Wissenschaftler nicht mit Bestimmtheit sagen. Es ähnelt jedoch dem Typ, der in Französisch-Polynesien zirkulierte.
Anfang 2015: In der brasilianischen Stadt Natal fallen Ärzten Patienten mit Fieber, Hautauschschlag, Juckreiz, Kopf- und Gliederschmerzen auf. Die Mediziner vermuten das Dengue-Fieber, aber die Tests sind negativ. Im Laufe der kommenden Monate finden Infektionsbiologen die Erklärung: Die Patienten haben sich mit dem durch Mücken übertragenen Zika-Virus infiziert, das zuvor noch nie in Brasilien dokumentiert wurde. Im Juni veröffentlichen Wissenschaftler den Fund und warnen, dass sich der Erreger in großem Stil ausbreiten könnte, da die Brasilianer keine Immunität gegenüber dem neuen Virus haben. Die Forscher sollten damit Recht behalten, sie ahnten jedoch zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, welche Folgen der Ausbruch haben würde.
September 2015: Ärzte im Nordosten Brasiliens bemerken, dass gehäuft Kinder mit zu kleinen Köpfen zur Welt kommen. Die so genannte Mikrozephalie geht häufig mit neurologischen Symptomen wie Krampfanfällen und geistigen Entwicklungsverzögerungen oder Behinderungen einher. Im November legen die Behörden des Bundesstaates Pernambuco erste Zahlen vor: 141 Mikrozephalie-Babys haben sie erfasst, in den Vorjahren registrierten sie nur je zehn Fälle in dieser Region. Zunächst kennt niemand die Ursache, viele junge Familien haben Angst. Erst nach und nach verdichten sich die Hinweise auf das Zika-Virus.
18. Januar 2016: Die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC warnt alle Schwangeren vor Reisen nach Brasilien und in 13 weitere Staaten Lateinamerikas. In all diesen Ländern grassiert mittlerweile das Zika-Virus - und die Angst vor seinen Folgen. Durch die Reisewarnung werden die Ereignisse auch außerhalb der betroffen Regionen einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Ende Januar 2016: Brasilien sowie andere Länder der Region rüsten gegen die Mücken auf. Insektizide werden in großem Stil verspritzt. Bewohner werden immer wieder aufgefordert, Wasserstellen trockenzulegen, um den Überträgertieren die Brutstätten zu nehmen. Vor allem Brasilien, wo Karneval und Olympische Sommerspiele bevorstehen, fürchtet Einbußen im Tourismus.
1. Februar 2016: Die Weltgesundheitsorganisation WHO ruft mit dem internationalen Gesundheitsnotfall die höchste Alarmstufe aus. Der Schritt ist gewagt, denn zu dem Zeitpunkt weiß niemand sicher, ob wirklich das Zika-Virus für die Mikrozephalie verantwortlich ist. Es gibt weder einen Impfstoff noch Medikamente gegen den Erreger. Was die WHO anbieten kann, sind einfache Empfehlungen zum Mückenschutz. Mehrere betroffene Staaten raten ihren Einwohnerinnen, derzeit nicht schwanger zu werden.
8. Februar: Der Karneval in Rio wird trotz der Bedrohung durch die Mücken gefeiert. Zugleich ziehen Frauen in den kommenden Wochen auch auf die Straßen, um für die Legalisierung von Abtreibungen zu demonstrieren. In Brasilien sind Schwangerschaftsabbrüche illegal. Von dieser Linie rückt der Staat trotz der gehäuften Mikrozephaliefälle nicht ab.
Ende März: Das Zika-Virus ist mittlerweile in 33 Staaten und Gebieten Lateinamerikas verbreitet. Mehr als 860 Mikrozephaliefälle wurden in Brasilien bestätigt. Es ist nach wie vor das einzige Land, das gehäufte Fehlbildungen bei Neugeborenen verzeichnet. Epidemiologen erwarten jedoch, dass ab Juni auch in Kolumbien Babys mit Mikrozephalie geboren werden. Mittlerweile haben eine ganze Reihe von Studien den Zusammenhang zwischen dem Zika-Virus und der Mikrozephalie erhärtet.