Gentechnik:Das Spiel mit der menschlichen Evolution braucht endlich Regeln

Forscher: Genetisch veränderte Mädchen in China geboren

Ein Embryo erhält eine kleine Dosis Cas9-Protein und PCSK9 sgRNA in einem Spermieninjektionsmikroskop in einem Labor in Shenzhen in der südchinesischen Provinz Guangdong.

(Foto: dpa)

Die Gen-Schere Crispr macht es möglich, die DNA eines Embryos zu verändern. Höchste Zeit also, dass die Politik Verantwortung übernimmt.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Als ein chinesischer Forscher am Montag die Geburt von zwei genetisch veränderten Babys verkündete, saß der Schock erst mal tief. Ob die Zwillinge Nana und Lulu existieren, weiß zwar noch immer niemand, doch zum ersten Mal wird fassbar, wie nah der Mensch dem Spiel mit der eigenen Evolution gekommen ist. Die Genschere Crispr-Cas macht es möglich. Mit präzisen Schnitten kann sie die DNA eines Embryos verändern. Höchste Zeit also, für dieses Spiel mit den Genen ein paar Regeln festzulegen. Die Verantwortung dafür trägt die Politik.

Wobei es natürlich nicht so ist, dass sich über das Problem noch niemand Gedanken gemacht hätte. Seit drei Jahren diskutieren Ethiker und Wissenschaftler weltweit gemeinsam und ausgiebig darüber, welche Grenzen dem Eingriff ins menschliche Erbe zu setzen wären. Tatsächlich waren es die Erfinder der Genschere selbst, die diese Debatte forderten, weil schon 2015 Berichte über genetische Experimente an menschlichen Embryonen aus China durchsickerten. Die ersten Affen, deren Erbgut man mithilfe von Crispr-Cas verändert hatte, waren da schon zwei Jahre alt.

Seither gibt es wenig Zweifel, in welche Richtung sich die Problematik entwickelt - dass eines Tages ein Menschenkind geboren würde mit von Menschenhand veränderten Eigenschaften, das erste Lebewesen seiner Art. Immer deutlicher wurde zuletzt, dass es sich nicht mehr um eine Sache von Jahrzehnten, sondern eher von Jahren oder Monaten handeln könnte.

Ob die Zwillinge Nana und Lulu nun die ersten dieser neuen Menschen sind oder nicht, ist deshalb nicht entscheidend. Es muss ein internationaler und verbindlicher Konsens darüber her, wie man mit dem Eingriff in die menschliche Evolution umgehen möchte. Will man ihn gänzlich ausschließen? Sind Situationen denkbar, in denen der Schnitt in die DNA eines Embryos sogar zu Gutem führen könnte - wo er Krankheiten verhindert oder heilt? Will man darauf verzichten? Wie sieht es mit Interventionen aus, falls die Grenzen, die man gemeinsam gesetzt hat, überschritten werden? Es gibt dazu Antworten, Papiere und Dossiers. Und klar, es gibt auch Fachleute, die sagen, ein ethisch grundierter internationaler Konsens sei illusorisch, zu weit lägen die Kulturen mit ihren Werten auseinander. Und doch haben sich Staaten in der Vergangenheit auf Konventionen wie jene zu chemischen Waffen geeinigt, die zwar nicht alles, aber wohl Schlimmeres verhindern.

Bevor man das heikle Thema jedoch an die Vereinten Nationen delegiert, muss erst auf nationaler Ebene eine Haltung gefunden werden. Das ist in Deutschland nicht einmal im Ansatz der Fall. Viele Politiker glauben immer noch, dass beim Stichwort Embryo der Verweis auf das deutsche Embryonenschutzgesetz von 1991 ausreicht, weil der Embryo damit vermeintlich umfänglich geschützt wäre. Das erwies sich schon im Fall der Präimplantationsdiagnostik als Irrtum, mit ungewollten Konsequenzen. Die Methode musste nach einem Gerichtsurteil zugelassen werden, wie viele andere Technologien hatte sie den Wissensstand des Gesetzes längst überholt. Experten fordern deshalb seit Jahren, ein neues, modernes Fortpflanzungsmedizingesetz zu schaffen, gerade mit Blick auf die ethisch heiklen Möglichkeiten durch die Genschere Crispr-Cas. Schon eine seriöse politische Debatte darüber in Kabinett und Bundestag würde helfen, ein halbwegs belastungsfähiges Rückgrat für die internationalen Herausforderungen zu schaffen, die nun zu bewältigen sind. Nur anfangen müsste man damit endlich.

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