Sars-CoV-2:Heftige Infektionswelle in China befürchtet

Sars-CoV-2: Das Coronavirus breitet sich in Peking und anderen chinesischen Regionen rasch aus.

Das Coronavirus breitet sich in Peking und anderen chinesischen Regionen rasch aus.

(Foto: Thomas Peter/Reuters)

Mit dem Ausstieg aus der Null-Covid-Strategie in China wird sich das Virus im Milliardenvolk schneller verbreiten. Krankenhäuser müssen sich wappnen. Mehr Impfungen wären nötig. Ist China überhaupt bereit?

Nach den Lockerungen der strikten Null-Covid-Maßnahmen in China rechnen Experten mit einer massiven Infektionswelle. Die große Mehrheit der 1,4 Milliarden Chinesinnen und Chinesen wird sich nach Ansicht eines Regierungsberaters letztlich mit dem Coronavirus infizieren. Der frühere Vizedirektor des nationalen Gesundheitsamtes, Feng Zijian, geht davon aus, dass sich am Ende 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus anstecken werden, wie Staatsmedien am Donnerstag berichteten. "Egal, wie die Maßnahmen angepasst werden, die meisten von uns werden sich einmal infizieren."

In der ersten Welle dürfte die Infektionsrate nach Modellrechnungen rund 60 Prozent erreichen. Es müssten "angemessene Maßnahmen" ergriffen werden, um den Höhepunkt dieser Welle niedrig zu halten und die Belastung des Gesundheitswesens zu verringern, sagte der Experte bei einem Online-Forum der Pekinger Tsinghua-Universität. Nach dem jüngsten Ausbruch in Peking erleben Krankenhäuser der Hauptstadt zurzeit einen starken Zulauf von Infizierten und Personalmangel.

"Die Notaufnahme ist voll mit Patienten", schilderte eine Schwester dem Magazin Yicai. "Viele Patienten, die in die Notaufnahme kommen, erweisen sich nach einem PCR-Test als positiv." Dass sich das Personal infiziert, werde immer wahrscheinlicher. Ein Anästhesist in einem anderen Krankenhaus berichtete, die Definition von Kontaktperson werde dort schon nicht mehr so eng gefasst, um - wegen der dann erforderlichen Isolation - Personalmangel zu vermeiden.

Selbst strikte Maßnahmen können die Omikron-Variante kaum bremsen

In Ärztekreisen zirkuliere ein Aufsatz, wonach die nächsten ein, zwei Monate "der dunkelste Moment" für das medizinische Personal werden, schrieb das Magazin. "Positive Patienten stapeln sich in der Fieberklinik, und es gibt viele Komplikationen", berichtete ein Intensivmediziner.

Der Höhepunkt der Welle werde "enormen Druck" auf das medizinische System ausüben, warnte Experte Feng Zijian. Es müssten Vorbereitungen getroffen werden. Auch sei wichtig, die Impfungen zu beschleunigen - besonders für ältere Menschen mit chronischen Krankheiten. Wer nicht komplett geimpft sei, solle das schnell nachholen. Der Fachmann gehörte zu acht Experten, die Vizepremier Sun Chunlan vergangene Woche beraten hatten, bevor Chunlan von einem neuen Stadium im Vorgehen gegen das Virus sprach, das jetzt "weniger krankheitserregend" sei.

Nach einer Protestwelle Ende November gegen die drakonischen Null-Covid-Maßnahmen hatte die Regierung am Mittwoch eine Kehrtwende hingelegt und weitreichende Erleichterungen bei Lockdowns, Quarantäneregeln, Testpflicht und Reisen in China angekündigt. So soll es für Infizierte ohne Symptome oder mit leichten Krankheitsverläufen grundsätzlich möglich sein, zu Hause in Isolation zu gehen. Auch Kontaktpersonen droht nicht mehr wie bisher das Quarantäne-Lager. Sie sollen sich ebenfalls zu Hause isolieren können.

Statt die Zahl der Infektionen mit rigorosen Maßnahmen auf null bringen zu wollen, wird China mit diesen Lockerungen jetzt wohl auch wie der große Rest der Welt versuchen, mit dem Virus zu leben. Die Null-Covid-Strategie hatte zu großem Unmut im Volk und enormen Belastungen für die zweitgrößte Volkswirtschaft geführt, während die strikten Maßnahmen gegen die neuen, leicht übertragbaren Omikron-Varianten des Virus immer weniger wirksam waren.

Internationale Gesundheitsexperten äußerten wiederholt ihr Unverständnis, dass ausländische mRNA-Impfstoffe in China immer noch nicht zugelassen sind. Es wurde auch gewarnt, dass noch keine natürliche Immunität im Milliardenvolk vorhanden sei, da es bisher nur relativ wenige Infektionen in China gegeben habe. Bei vielen Chinesen seien die letzten Impfungen oder der Booster auch schon längere Zeit her, was ein Problem werden könnte.

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