Cannabis-Abhängigkeit:"Die Gefahr ist groß, die Droge zu unterschätzen"

Vor allem Jugendliche rauchen Cannabis und setzen sich dem Risiko aus, abhängig zu werden. Suchtexperte Josef Strohbach erläutert, warum aber auch ein erwachsener Gelegenheits-Kiffer längst süchtig sein kann.

Josef Strohbach ist Psychotherapeut und Drogenberater bei der Organisation Condrobs in München.

Süddeutsche.de: In Deutschland konsumieren etwa 2,5 Millionen Menschen gelegentlich oder regelmäßig Cannabis. Die meisten würden sich nicht als süchtig bezeichnen. Wann beginnt beim Cannabis die Abhängigkeit?

Josef Strohbach: Das ist wie bei anderen Substanzen auch: Die Sucht beginnt mit einer Toleranz gegenüber der Wirkung. In der Folge steigert man nach und nach die Dosis oder die Häufigkeit. Spätestens, wenn jemand das Gefühl hat, dass die Droge den Alltag dominiert und er den Konsum selbst nicht mehr unter Kontrolle hat - zum Beispiel, weil er Konsum-Pausen nicht einhalten kann -, sollte er sich an einen Experten wenden. Oder natürlich, wenn gesundheitliche Schäden auftreten. Allerdings kann auch jemand, der nur einmal im Monat kifft, abhängig sein. Der braucht dann eben genau diese Dosis.

Wovon hängt es ab, ob jemand eine Abhängigkeit von Cannabis entwickelt?

Zunächst einmal kommt es auf die Person selbst an und auf ihre psychische Konstellation. Aber auch das Konsumverhalten hat Einfluss auf die Suchtgefahr: Je öfter und regelmäßiger jemand Cannabis konsumiert, desto höher steigt das Risiko. Auch der THC-Gehalt wirkt sich aus, weil dann die Wirkung stärker erlebt wird.

Welche Rolle spielt das Alter der Konsumenten?

Das Risiko, abhängig zu werden, ist größer, je früher man anfängt, Cannabis zu konsumieren. Die Hauptkonsumenten in Deutschland sind zwischen 15 und 25 Jahre alt. In diesem Alter ist natürlich auch die Gefahr besonders groß, die Droge zu unterschätzen. Manche merken erst nach zehn Jahren Konsum, dass sie süchtig sind und kommen dann mit Mitte 30 in die Therapie.

Welche Symptome treten bei einer Cannabis-Abhängigkeit auf?

Eine Abhängigkeit von Cannabis äußert sich nicht so massiv wie beispielsweise eine Alkoholabhängigkeit, weil die Wirkung von Cannabis sich vornehmlich auf Atmungsorgane und den Gehirnstoffwechsel beschränkt, während Alkohol ein Zellgift ist. Betroffene berichten von leichten Entzugserscheinungen, der körperliche Entzug ist allerdings schnell vorüber. Schwieriger ist dann, gegen die psychische Abhängigkeit anzukommen.

Wie der Cannabis-Entzug funktioniert

Wie kann eine Therapie Betroffenen dabei helfen?

Nach der ersten Entgiftung, die man mit gesunder Ernährung, frischer Luft und viel Flüssigkeit gut übersteht, ist die psychische Abhängigkeit nach wie vor da und muss behandelt werden. Wichtig ist vor allem, dass sich das Freizeitverhalten ändert. Je nach Schwere der Abhängigkeit kann hier eine ambulante oder auch stationäre Therapie helfen. Dort findet dann Einzel- und Gruppentherapie statt. Im Anschluss daran empfehlen wir den Patienten eine ambulante Nachsorge oder auch eine Selbsthilfegruppe.

Wer kommt für eine solche Behandlung auf?

Im Normalfall zahlt die Rentenversicherung für die Therapie, denn es geht ja darum, eine Berufsunfähigkeit zu verhindern. Bei Schülern zahlen dagegen meist die Krankenversicherungen, wobei allerdings private Krankenversicherungen oft Suchttherapien von ihren Leistungen ausschließen.

Wie weit kann sich der Körper von den Folgen wieder erholen?

Wenn es durch den Cannabis-Konsum zu keinen psychischen Erkrankungen kam, was selten ist, dann regeneriert sich der Körper in ähnlichen Zeiträumen wie bei Rauchern.

Wenn Betroffene oder auch deren Eltern einen problematischen Umgang mit Cannabis bemerken, an wen können sie sich dann wenden?

Am besten natürlich an Suchtberatungsstellen, die es in ganz Deutschland gibt. Eltern fällt dieser Weg allerdings oft sehr schwer. Viele kommen erst, wenn es bereits massive Probleme in der Schule oder der Familie gibt. Leichter ist es deshalb, wenn Eltern schon früh Elternabende und Schulprojekte zur Suchtprävention besuchen und sich dort Informationen holen. Dort ist die Hemmschwelle niedriger.

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