"Ich bin dement, und du fragst mich, ob ich noch weiß, wie alles angefangen hat ... Das ist echt witzig", sagt Ron, während er vergnügt im Sessel sitzt. Heiter beginnt der fiktive Dialog, den der britische Zeichner Tony Husband mit seinem Vater führt und im Buch "Mach's gut mein Sohn" veröffentlicht. Es ist ein Gespräch über das Verstummen, eine Erinnerung an das Vergessen.
Es fängt an mit vergessenen Terminen und verlegten Schlüsseln. Dann kommen die Überschwemmungen durch nicht abgedrehte Wasserhähne. Und der Tag, an dem Ron in Pyjamahose spazieren geht. "War sicher nicht besonders klug", heißt es lakonisch.
Husband, der für viele Magazine, Bücher und Fernsehproduktionen zeichnet, erzählt eine wahre Geschichte. Damit bleibt sie nicht heiter. Ron ängstigt sein eigener Zustand mehr und mehr: "Die Post hat mir Angst gemacht. Lauter Briefe von Leuten, die ich nicht kannte. Alle wollten Geld ... In einem stand, ich würde jemandem 25 000 Pfund schulden!".
Ron glaubt, Signale von Außerirdischen zu empfangen und morst mit den Jalousien zurück. "Aber das waren nur die Autoscheinwerfer auf der Straße ... meine Güte", lässt Husband den Vater kommentieren. Der Autor holt in diesem Buch den gesunden Vater als Gesprächspartner zurück, damit er sein eigenes Verhalten erklären kann. In diesem Kunstgriff liegt eine große Sehnsucht nach dem Mann, der Ron einmal war - aber auch viel Versöhnliches. Demenzkranke können unberechenbar, undankbar, bisweilen aggressiv erscheinen. Das Buch hilft daran zu erinnern, dass nicht der Kranke, sondern die Krankheit für das verstörende Verhalten verantwortlich ist.
Demenz ist bis heute nicht heilbar. Ihr Verlauf kann leicht verzögert aber nicht aufgehalten werden. So hat auch Rons Geschichte kein Happy End. Irgendwann setzt er seine Wohnung in Brand, die Familie bringt ihn in ein Altenheim.
Ron weiß nicht, warum er weg muss, nur "dass etwas für immer vorbei war". Die Geschichte des alten Mannes ist nicht spektakulär. Sein Schicksal teilt er mit 44 Millionen Menschen dieser Welt. Aber Husband erzählt es auf eine unvergleichlich schnörkellose und liebevolle Art, die unmittelbar berührt.
Auch im Heim kann man noch triumphieren. "Wenigstens", kommentiert Ron, ist er nicht in die Geriatrie gekommen, wo die Menschen den ganzen Tag den Fernseher anglotzen und kein Wort sagen. Ron findet zunächst sogar eine Freundin im Heim. "Unzertrennlich" laufen sie durch die Flure. Doch zunehmend verstummt auch er.
Heiligabend: Ron sagt kein einziges Wort. Doch als die Familie seine Lieblingsschallplatte auflegt, singt er "Stille Nacht, heilige Nacht". Dann verfällt er wieder in Schweigen.
Ron liegt fast nur noch im Bett. Jede Erinnerung ist ausgelöscht: "Und dass, wenn man so gern gelebt hat wie ich", sagt der Vater. Am Ende sieht man das Bild des alten Mannes in so knappen Zügen gemalt, dass es wie eine Kinderzeichnung wirkt. Er fragt: "Kann überhaupt irgendetwas so grausam sein?". Das Buch: "Mach's gut mein Sohn! Die Geschichte meines Vaters und seiner Demenz" ist im Knaur Verlag erschienen. Mehr zum Thema Alzheimer erfahren Sie in unserem Ratgeber.