Brustkrebs:Wenn die Therapie vor der Krankheit beginnt

In Großbritannien wird diskutiert, ob gefährdete Frauen vorbeugend Brustkrebsmedikamente einnehmen sollen. Noch gibt es mehr Fragen als Antworten.

Von Katrin Blawat

In einem Satz zusammengefasst, klingt der Vorschlag zunächst ebenso einfach wie sinnvoll. Frauen mit mittlerem und hohem Brustkrebsrisiko sollte vorbeugend ein Medikament angeboten werden, das ihre Erkrankungswahrscheinlichkeit reduziert. So sieht es ein Entwurf des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (Nice) vor. Das Institut ist Teil des staatlichen Gesundheitssystems in Großbritannien.

Dem Vorschlag zufolge sollen gefährdete Frauen, die älter als 30 Jahre sind, die Möglichkeit erhalten, fünf Jahre lang vorbeugend das Medikament Tamoxifen zu nehmen. Die Arznei wird seit langem bei bereits vorhandenem Brustkrebs eingesetzt. Nach den Vorstellungen des Nice soll außerdem Frauen jenseits der Menopause, die ein erhöhtes Krebsrisiko haben, eine vorbeugende Therapie mit dem Osteoporose-Medikament Raloxifen angeboten werden. Dem britischen Institut zufolge könnte der Vorschlag bis zu drei Prozent der weiblichen Bevölkerung betreffen.

In den USA ist Tamoxifen bereits seit 1998 zur Krebsprävention zugelassen. In Deutschland komme das Thema regelmäßig in der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie zur Sprache, sagt Wolfgang Janni, Ärztlicher Direktor der Universitätsfrauenklinik Ulm. Doch weder Tamoxifen noch Raloxifen sind in Deutschland zur Krebs-Vorbeugung zugelassen. Auch in England ist dies noch nicht der Fall.

Ob der aktuelle Vorschlag tatsächlich in die Leitlinien des Nice aufgenommen wird, soll sich im Sommer entscheiden. Doch die Hoffnung, dass sich bis dahin entscheidende Fragen klären werden, wirkt derzeit sehr optimistisch. So ist nicht zweifellos geklärt, für welche Frauen die Vorteile größer sind als die Risiken.

Zwar haben Studien vor einigen Jahren nahegelegt, dass Tamoxifen und Raloxifen wohl manche Brustkrebsfälle verhindern können. "Es gibt durchaus Hinweise, dass durch eine prophylaktische Gabe etwa von Tamoxifen die Häufigkeit für das Auftreten von Brustkrebs vermindert werden kann", sagt Janni. "Allerdings konnte ein tatsächlicher Überlebensvorteil dadurch bislang nicht bewiesen werden, und die Medikamente haben eigene Nebenwirkungen." Zu diesen zählen Thrombosen, Gebärmutterkrebs und Schlaganfälle. Daher schließt der Nice-Vorschlag ausdrücklich Frauen aus, die bereits unter Thrombosen und Gebärmutterkrebs gelitten haben.

Ebenso komplex wie die Abwägung von Nutzen und Risiken ist die Frage, welche Frau überhaupt ein hohes oder moderates Brustkrebsrisiko hat. Eine einheitliche, verbindliche Definition gebe es nicht, sagt Janni. In eindeutigen Fällen sind zwar Mutationen bekannt, die das Erkrankungsrisiko sehr stark erhöhen. Doch dies sind Ausnahmen, die nur einen Bruchteil aller Frauen betreffen. Weitere genetische Veränderungen stehen zwar mit Brustkrebs in Verbindung, erhöhen für sich allein das Risiko aber nur gering.

Erfahrungen aus den USA

Entscheidend sind zum Beispiel auch Alter, Lebensstil und Vorerkrankungen einer Frau sowie deren Familiengeschichte. "Selbst wenn eine nahe Verwandte an Brustkrebs erkrankt ist, bedeutet das nicht automatisch, dass man selbst ein hohes Risiko hat", sagt Janni. Wichtig sei daher vor allem eine umfassende individuelle Beratung der Frauen.

Und was halten die Betroffenen davon, jahrelang ein so starkes Mittel wie Tamoxifen gegen eine Krankheit zu nehmen, die nur vielleicht einmal ausbricht? In einer US-Studie entschied sich nur ein knappes Drittel der Frauen für die Chemoprävention. Dies hing vor allem davon ab, was der Arzt empfohlen hatte. Ebenfalls wichtig war die Intensität, mit der die Gedanken an Krebs das tägliche Leben beeinflussten. Ob ein enges Familienmitglied an Brustkrebs erkrankt oder gestorben war, spielte hingegen keine Rolle. Insgesamt war die Angst vor Nebenwirkungen größer als die Hoffnung auf einen Nutzen. So nahm die Hälfte der Frauen, die sich für eine vorbeugende Therapie entschieden hatten, die Arzneien am Ende höchstens vier Monate lang - und nicht fünf Jahre, wie empfohlen.

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