Infektionskrankheit:Der Borreliose entkommen

Infektionskrankheit: Nach dem Aufenthalt im Freien sollte der Körper auf Zecken abgesucht werden.

Nach dem Aufenthalt im Freien sollte der Körper auf Zecken abgesucht werden.

(Foto: AFP)

Welche Tiere Zecken fernhalten, welche Rolle der Zustand des Gartens spielt - und ob auch Mücken die Borreliose übertragen können. Tipps für den Beginn der Freiluftsaison.

Von Monika Offenberger

So lästig sie sind - im Vergleich zu ihren tropischen Verwandten sind einheimische Stechmücken eher harmlos. Immerhin übertragen sie keine Erreger übler Krankheiten wie Malaria oder Zika. Entgegen anderslautenden Berichten ist es auch extrem unwahrscheinlich, dass sie Menschen mit Borreliose-Bakterien infizieren können.

In Deutschland kommen mehrere Arten von Lyme-Borrelien vor; fünf davon gelten als humanpathogen und können beim Menschen schwerwiegende Auswirkungen auf die Haut, die Gelenke und das Nervensystem haben. Jedes Jahr erkranken bis zu zweihunderttausend Menschen in der Bundesrepublik an der Lyme-Borreliose. Doch bislang ist kein einziger Fall dokumentiert, bei dem ein Mensch zweifelsfrei durch einen Mückenstich mit den Krankheitserregern infiziert wurde.

Es ist kein Fall dokumentiert, bei dem ein Mensch von Mücken mit Borrelien infiziert wurde

Allerdings können Stechmücken und andere blutsaugende Insekten wie Gnitzen, Bremsen oder Wadenbeißer hin und wieder mit Borrelien in Kontakt kommen. Dann nämlich, wenn sie einen Wirt - sei es Mensch oder Tier - anzapfen, der zuvor durch einen Zeckenbiss mit den Bakterien infiziert wurde. Das hatten amerikanische Forscher schon in den Achtzigerjahren entdeckt, 2002 wurden tschechische Biologen auch bei mehreren europäischen Mückenarten fündig.

Jetzt sind Wissenschaftler der Frankfurter Senckenberg-Gesellschaft der Frage nachgegangen, ob die tückischen Borrelien durch Mückenstiche auf den Menschen übertragen werden können. Ein Team um den Forscher Sven Klimpel sammelte im Rahmen eines vom Bundesforschungsministerium geförderten Monitoring-Projektes in verschiedenen Bundesländern mehr als 3600 Mücken, die zu 24 verschiedenen Arten gehörten. Bei zehn dieser Mückenarten fanden die Wissenschaftler - jeweils bei wenigen Prozent der Individuen - spezielle DNA-Stücke, die ausschließlich in Borrelien vorkommen.

Dieser Fund sei eigentlich nicht überraschend, sagt Sven Klimpel. In jedem Tier, das Blut mit Resten von Borrelien aufgesaugt hat, könne man diese natürlich auch nachweisen. "Das Interessante aber ist, dass wir Borrelien-DNA auch in einigen Mücken gefunden haben, die wir als Larven im Wasser gefangen und im Labor zum erwachsenen Insekt aufgezogen haben", so der Biologieprofessor. Diese Mücken können selbst kein Blut gesaugt haben. Wie kommt dann aber Borrelien-spezifisches Genmaterial in ihren Körper? Für Sven Klimpel ist die Sache klar: "Die Borrelien müssen von den Weibchen, die Blut gesaugt haben, übers Ei an die nächste Generation weitergegeben worden sein."

Eben dies stellt Norbert Becker, Direktor des deutschen Instituts für Dipterologie, infrage: "Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass lebende Borrelien mit den Mückeneiern weitergegeben werden", sagt er. Bei Viren sei das schon eher vorstellbar, aber auch da sei es nicht die Regel. Zum Beispiel würden die von Mücken übertragenen Denguefieber-Viren nur ganz selten über die Eier weitergegeben. "Bei Bakterien scheint mir das fast unmöglich zu sein." Dazu komme die Hürde der Metamorphose. Bei der Verwandlung der Larve zum erwachsenen Insekt werde schließlich der ganze Organismus umgebaut. Es ist schwer vorstellbar, dass die Borrelien diesen Prozess überleben.

Bei der von Klimpel nachgewiesenen Bakterien-DNA könnte es sich schlicht um Erbgut-Fragmente längst abgestorbener oder verdauter Borrelien handeln. "Tote DNA kann in der Umwelt oder in Organismen stabil bleiben und problemlos auch über die Generationen weitergegeben werden", sagt Franz-Rainer Matuschka von der Universität Potsdam, der sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit Lyme-Borrelien beschäftigt. "Dass sie auch bei der Häutung von einem Stadium zum nächsten oft erhalten bleibt, wissen wir von den Zecken."

Wie Sie sich vor Zecken schützen

Anders als bei den Mücken ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Gemeine Holzbock, die häufigste der in Deutschland heimischen Zecken, sämtliche Lyme-Borrelien übertragen kann. Für eine Blutmahlzeit ist dieser Zecke fast jedes Wirbeltier recht: Vögel, Eidechsen, Mäuse, Ratten, Bilche und andere Kleinsäuger gehören ebenso zu ihren Wirten wie Kühe, Schafe, Rehe und Hirsche - und gelegentlich eben auch Menschen. Zeckenbisse sind eine reale Gefahr. Doch es gibt einfache Regeln, wie man sich schützen kann: So sollte man nach jedem Aufenthalt im Grünen - und sei es nur im eigenen Garten - die nackte Haut absuchen und etwaige Zecken schnellstmöglich entfernen. Denn selbst wenn ein Holzbock die Borreliose-Bakterien in sich trägt, dauert es mindestens 24 Stunden, bis er sie nach einem Biss an Menschen abgeben kann.

Franz-Rainer Matuschka erklärt, warum das so ist: "Wenn die Zecke irgendwo auf einen Wirt lauert und kein Blut saugt, dann sitzen die Borrelien auf der Innenseite der Mitteldarmwand und warten ab. Wenn aber nach einem Zeckenbiss die ersten Tropfen Lymphe und später dann Blut im Zeckendarm landen, dann lösen sich die Borrelien und wandern durch die Wand des Mitteldarms ins Körperinnere der Zecke und von dort in die Speicheldrüsen." Erst, wenn sie dort angelangt sind, kann die Zecke die Borrelien mit dem Speichel in die Bisswunde injizieren. Das dauert. Schon allein diese Tatsache spreche gegen Mücken als mögliche Überträger, gibt Matuschka zu bedenken: Bis die Borrelien startklar sind, hat die Mücke ihren Saugakt längst beendet.

Kühe und Schafe wirken auf Holzböcke wie natürliche Desinfektionsmittel

Ein weiterer Tipp, wie man sich vor Borrelien schützen kann, klingt erstaunlich: Man sollte im Freien die Nähe von Wiederkäuern suchen. Denn Ziegen, Schafen und Rinder, aber auch Rehe und Hirsche werden zwar gerne von Zecken befallen, eignen sich aber nicht als Wirte für die Bakterien. Allein die Anwesenheit von Wiederkäuern kann den Anteil infizierter Zecken drastisch senken. Das belegt eine Feldstuim Unesco-Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen. Dort hatten Dania Richter und Franz-Rainer Matuschka die Durchseuchungsraten von Zecken untersucht. Ergebnis: Wo Rinder grasten, waren sechsmal weniger Jugendstadien und viermal weniger ausgewachsene Holzböcke mit Borrelien infiziert als auf unbeweideten Flächen.

Die Wissenschaftler fanden außerdem heraus, dass bereits befallene Zecken ihre Erreger sogar wieder verlieren, wenn sie Wiederkäuer befallen. "Die Zecken saugen sich voll, fallen vom Wirt ab, entwickeln sich zum nächsten Stadium und sind nicht mehr infektiös. Wiederkäuer wirken auf sie wie natürliche Desinfektionsmittel", sagt Dania Richter. Warum das so ist, ist nicht bekannt.

Auf einer Weide ist die Gefahr viel geringer als auf einer Brachfläche

In einer anderen Untersuchung hat Richter in Baden-Württemberg 43 000 Zecken gesammelt und auf Borrelien getestet. Die Blutsauger stammten von 50 verschiedenen Testflächen, darunter Waldränder und Wiesen mit oder ohne Beweidung, mit gutem oder schlechtem Müll-Management oder mit unterschiedlichen Arten der Mahd. Richter fand unter anderem heraus, dass die Borrelien-Durchseuchung der Zecken erheblich geringer ist, wenn es wenige Mäuse und Ratten gibt, die als Reservoir für die Bakterien fungieren.

Sinnvoll ist auch, die Wiesen zu mähen oder zu mulchen, da das die bodennahe Feuchtigkeit reduziert, die Holzböcke brauchen. Wo Gras und Sträucher niedrig gehalten werden, gibt es deutlich weniger Zecken als in ungepflegten Bereichen. Grasende Rinder oder Ziegen sorgen ebenfalls für ein trockeneres und daher zeckenunfreundliches Milieu. In Summe führt all dies dazu, dass eine Beweidung die Infektionsgefahr für den Menschen drastisch verringert, erklärt Dania Richter: "Für einen Spaziergänger kann das Risiko, von einer mit Borrelien befallenen Zecke gebissen zu werden, auf einer Weide bis zu 60-mal niedriger sein als auf einer naturbelassenen Brachfläche." Das ist doch mal eine gute Nachricht.

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