Blutspendeverbot:Die Krux mit den HIV-Tests

A blood donor squeezing a tube in their arm to maximise circulation Model Released

Die Identifikation riskanter Personengruppen bei Blutspenden basiert allein auf der Abfrage über die Lebensgewohnheiten der Spender.

(Foto: imago/Medicimage)

Ist es gerechtfertigt, Homosexuellen die Blutspende zu verbieten? Der Europäische Gerichtshof sagt Ja - sofern es keine anderen Möglichkeiten gibt, HIV- und andere Infektionen auszuschließen. Gibt es Alternativen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Berit Uhlmann

Wer wird in Deutschland von der Blutspende ausgeschlossen?

Ausgeschlossen sind unter anderem Patienten mit bestimmten Infektionen wie HIV, Syphilis oder Hepatitis B. Aber auch Menschen, bei denen lediglich ein Risiko auf eine bestimmte Erkrankung vorliegt, sind nicht zur Blutspende zugelassen. Dazu gehören beispielsweise alle, die sich zwischen 1980 und 1996 mehr als sechs Monate lang in Großbritannien aufgehalten haben. Bei ihnen ist es theoretisch möglich, dass sie sich mit der menschlichen Form von BSE, der so genannten neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, angesteckt haben.

Um das Risiko einer HIV-Übertragung auszuschließen, werden bestimmte Personengruppen pauschal ausgeschlossen: Drogensüchtige, Prostituierte, Heterosexuelle mit häufig wechselnden Partnern und alle Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben.

Wie werden diese Personen identifiziert?

Jeder Blutspender muss einen zweiseitigen Fragebogen ausfüllen. Dort wird nicht explizit nach der sexuellen Orientierung gefragt. Die für Schwule relevante Frage lautet: "Hatten Sie schon einmal Sexualverkehr mit einem anderen Mann?".

Ist das Infektionsrisiko homosexueller Männer wirklich größer?

Männer, die Sex mit Männer haben, machen in Deutschland den Großteil der HIV-Infizierten aus, obwohl sie nur einen geringen Anteil in der Bevölkerung haben. Nach den jüngsten Schätzungen des Robert-Koch-Instituts leben derzeit etwa 80 000 HIV-Positive in Deutschland. 66 Prozent von ihnen (53 000) sind Männer, die Sex mit Männern hatten. 22,5 Prozent steckten sich bei heterosexuellen Kontakten an.

Wie werden die Blutspenden derzeit auf HIV getestet?

Aus den Spenden wird eine Probe genommen, die mit zwei unterschiedlichen Methoden untersucht wird. Zum einen fahndet ein Test nach typischen Antikörpern, die das Immunsystem eines HIV-Infizierten bildet. Hinzu kommt ein Test, der nach HI-Viren im Blut sucht. Beide Tests zusammen sollen eine möglichst große Sicherheit der Blutkonserven gewährleisten.

Wie sicher erkennen diese Tests eine HIV-Infektion?

Die größte Unsicherheit besteht darin, dass beide Tests kurz zurückliegende Infektionen nicht sicher erkennen können. Ehe sich genügend Antikörper im Blut finden, um den Test ausschlagen zu lassen, vergehen in der Regel bis zu zehn Wochen. Der direkte Viren-Nachweis kann Infektionen feststellen, die mindestens sieben bis 21 Tage zurückliegen. Erst wenige Tage zuvor erfolgte Infektionen erkennt auch er nicht. Diese Lücke nennen Fachleute "diagnostisches Fenster". Wie groß genau es ist, ist von Fall zu Fall verschieden. Faktoren wie der Virus-Typ und die Menge der übertragenen Erreger spielen eine Rolle. Das Problem: Auch wenn die Tests keine Infektion feststellen, kann das Blut infektiös sein; der Empfänger der Spende kann sich anstecken.

Könnten bessere Tests mehr Sicherheit bringen?

"Die heutigen Tests sind sehr sicher, aber in ihrer Empfindlichkeit sozusagen ausgereizt", sagt Susanne Stöcker vom zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Ein geringes Restrisiko lässt sich nicht vermeiden.

Suche nach Alternativen

Kann man Blutspenden lagern, um den Test nach Ablauf der kritischen Phase zu wiederholen?

Dieses Verfahren funktioniert nur für einen Teil des Blutes: Das Plasma kann vier Monate lang eingefroren in Quarantäne liegen. Wenn der Spender dann wiederkommt und erneut keine Infektion im Blut angezeigt wird, kann das Plasma verwendet werden. Aus ihm können beispielsweise Präparate für Menschen mit Gerinnungsstörungen gewonnen werden. Das Einfrieren des Plasmas ist bereits heute Usus, denn die meisten Spender kommen regelmäßig zur Spende und können auf diese Art rückwirkend getestet werden.

Warten ist aber keine Option bei der Gewinnung von roten Blutkörperchen und Blutplättchen. Sie müssen immer frisch übertragen werden, denn sie halten sich nur wenige Tage und können auch nicht eingefroren werden.

Gibt es Alternativen zum generellen Blutspendeverbot von Homosexuellen?

In Italien und Spanien wird eine individuelle Risikoabschätzung für Homosexuelle vorgenommen. Dabei werden beispielsweise die Zahl und Herkunft der Sexualpartner erfragt. Nach Einführung der neuen Kriterien wurden etwas mehr HIV-positive Blutspenden registriert, allerdings ist nicht sicher zu sagen, ob es einen ursächlichen Zusammenhang gibt.

Das PEI und die Bundesärztekammer setzen sich für ein gelockertes Blutspendeverbot ein. Männer, die je Sex mit Männern hatten, sollen nicht mehr automatisch lebenslang von der Spende ausgeschlossen sein. Wenn der letzte Kontakt zu Männern mindestens ein Jahr zurückliegt, sollen sie künftig zur Blutspende zugelassen werden. Ob und wann diese Empfehlungen umgesetzt werden, ist allerdings noch nicht klar.

Nützt der Ausschluss überhaupt, wenn die Angaben zum Sexualverhalten freiwillig sind?

Tatsächlich kommt es vor, dass Menschen den Fragebogen nicht wahrheitsgemäß ausfüllen. Laut PEI schlagen die HIV-Tests jährlich bei etwa 100 Blutspendern an. Die Hälfte von ihnen sind Männer, die Sex mit Männern haben, dies aber nicht im Fragebogen angegeben haben. Falschangaben können aber nicht als Argument dafür dienen, die Kriterien der Blutspende zu ändern, schreibt das PEI.

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