Biosensor:Tattoo-Tinte warnt Diabetiker bei Unterzucker

A tattoo of Hindu demon Ravan is pictured on a back of a man during the Nepal Tattoo Convention in Kathmandu

Besucher einer Tattoo-Convention

(Foto: REUTERS)
  • Forscher der Technischen Universität München haben Hautsensoren entwickelt, die Schwankungen des Blutzuckers an der Färbung von Tattoos erkennen sollen.
  • Dazu würden mit bunter Tinte Biosensoren in die Körperoberfläche eingebracht.
  • Noch sind die Diagnose-Tattoos nicht reif für Patienten, der Weg bis zur Marktreife ist noch weit.

Von Werner Bartens

Die Idee ist charmant. Würde sie umgesetzt, könnten sich Millionen Zuckerkranke den lästigen Piks in die Fingerkuppe sparen. Statt sich täglich stechen zu müssen, könnten Diabetiker die Höhe ihres Blutzuckers buchstäblich von der eigenen Haut ablesen. Dazu wäre lediglich ein spezielles Tattoo nötig: Geht es nach Forschern der Technischen Universität München, ließen sich Schwankungen des Blutzuckers dann an der Färbung von Tattoos erkennen. Dazu würden mit bunter Tinte Biosensoren in die Körperoberfläche eingebracht. Die Motive sind flexibel - Tribals eignen sich dazu ebenso wie ewige Treueschwüre oder die Klassiker Anker und Rose.

"Die von uns mitentwickelten Hautsensoren könnten breite Anwendung in der medizinischen Diagnostik finden", schreiben Ali Yetisen und sein Team vom Institut für Messsystem- und Sensortechnik an der TU München. Kürzlich haben sie die Methode im Fachmagazin Angewandte Chemie erläutert. Diverse Farbstoffe, von den Forschern "minimal-invasiv" in die Haut geritzt, wurden getestet. Einige der Farbmischungen verändern sich beispielsweise abhängig vom pH-Wert und können auf diese Weise Schwankungen zwischen basisch und sauer anzeigen. Der Zuckersensor, der aus den Substanzen Glukoseoxidase, Tetramethylbenzidin und Peroxidase besteht, schlägt von Dunkelgrün in Hellgelb um, wenn der Glukosespiegel in den Unterzucker abzugleiten droht.

Schon heute tragen einige Diabetiker kleine Blutzucker-Sensoren in der Unterhaut

Aber: Noch sind die Diagnose-Tattoos nicht reif für Patienten, das wissen auch die Forscher um Yetisen. Bisher wurde nur an Schweinehaut getestet. "Die Idee ist klasse, der Weg zur klinischen Anwendung aber wohl weit", sagt Martin Reincke, Diabetes-Experte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Die heute bei vielen Diabetikern eingesetzten Sensorsysteme haben mehr als 20 Jahre gebraucht, bis sie alltagstauglich waren, vermutlich benötigen Tattoo-Sensoren ähnlich lange." Schon heute tragen Diabetiker, die sich nicht täglich piksen wollen, kleine Blutzucker-Sensoren in der Unterhaut von Schulter oder Oberarm. Die melden regelmäßig die Blutzucker-Konzentration zurück; manche sind mit einer tragbaren Insulinpumpe verbunden, die dann die erforderliche Dosis abgibt.

"Wenn die Tattoo-Sensoren irgendwann für Patienten etwas taugen sollen, müssen sie besonders in den niedrigen Blutzucker-Bereichen zuverlässig messen", sagt Felix Beuschlein, Diabetes-Experte am Unispital Zürich. "Lediglich 'zu hoch' oder 'zu niedrig' anzuzeigen, wäre zu ungenau." Schließlich kann es gefährlich werden, wenn Patienten plötzlich in den Unterzucker geraten, dann muss der Diabetiker oder seine Umgebung direkt gegensteuern.

Bleibt also noch genügend Arbeit für Ärzte und Sensortechniker, die um die bisherige Schwäche der Technik wissen und daher vorschlagen, eine Vergleichsskala für verschiedene Hauttypen und Lichteinflüsse mitzuliefern. Das schmälert allerdings die Freude an der coolen Idee vom Tattoo als dezentem Diagnose-Helfer: Wer will schon neben das Herz mit dem Namen der Liebsten oder über das florale Ornament eine Farbpalette anlegen müssen, um dann entspannt den Alltag genießen zu können?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: