Als sich die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus in den vergangenen Wochen nach und nach verschärften, stieg auch die Zahl der Jogging-Ratgeber rapide an. Wenn schon so gut wie alle anderen Aktivitäten untersagt seien, so der Tenor, könnte die Corona-Krise doch wenigstens dazu führen, liegengebliebene gute Vorsätze in die Tat umzusetzen und endlich mit dem Laufen anzufangen. Aber, wie das so ist mit hehren Zielen, sie sind um einiges leichter zu formulieren als zu erfüllen.
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur legt nun sogar nahe, dass Home-Office und Kontaktbeschränkungen in Deutschland nicht zu mehr, sondern zu weniger sportlicher Betätigung geführt haben. Demnach gaben 38 Prozent der befragten Erwachsenen an, sich weniger zu bewegen, 19 Prozent haben bereits an Gewicht zugelegt. Am meisten scheint die Gruppe der 35- bis 44-Jährigen unter dem Lockdown zu leiden, hier erklärten 25 Prozent der Befragten, zugenommen zu haben. Zu positiven Veränderungen kam es nur bei einem kleinen Teil der Menschen: Zwölf Prozent der Befragten sagten, sie bewegten sich seit den Corona-Maßnahmen mehr als zuvor, acht Prozent haben abgenommen. Für die Studie wurden diese Woche 2041 Personen befragt, damit sind die Daten repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.
Ein langfristiger Mangel an Bewegung kann gesundheitliche Folgen haben. Laut der Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Heidrun Thaiss, steigt bei Übergewicht etwa das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gelenkprobleme. "Je älter eine Person ist, desto schwieriger wird mittelfristig die Gewichtsabnahme", sagt Thaiss. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken bietet die BZgA online ein tägliches Bewegungsprogramm an, mit Videos zum richtigen Schulterkreisen oder Wandliegestützen. Außerdem gibt es eine Auflistung von digitalen Sport-Angeboten für Kinder.
Die YouGov-Studie zeigt auch auf, in welchen anderen Bereichen sich das Verhalten der Bevölkerung in Deutschland während des Lockdowns verändert hat. So geben 13 Prozent der Befragten an, sie äßen in Zeiten von Corona gesünder als zuvor, beinahe ebenso viele, nämlich zwölf Prozent, stellten allerdings das Gegenteil fest. Die Menge der Nahrungsmittel wuchs dabei nur geringfügig. Lediglich 15 Prozent berichteten von einem Anstieg.
Gleichzeitig bietet die Erhebung einen Hinweis darauf, was die Menschen mit ihrer Zeit anfangen. So gaben 39 Prozent der Befragten an, einen größeren Teil ihrer Freizeit vor elektronischen Geräten zu verbringen. Spitzenreiter ist dabei die Bevölkerungsgruppe zwischen 18 und 24 Jahren. Unter ihnen sagen 60 Prozent, dass sie länger als gewöhnlich vor dem Fernseher, dem Rechner oder der Spielekonsole sitzen.
Wer sich von diesen Zahlen entmutigt sieht, kann sich vielleicht mit einer anderen Statistik trösten: Experimente haben gezeigt, dass Verhaltensänderungen im Schnitt 66 Tage dauern, bis sie zur Gewohnheit werden und man etwa ohne Überwindung das Haus zum Joggen verlässt. Angesichts ihres prognostizierten langen Zeithorizonts birgt die Corona-Krise also noch viel Potenzial für die Umsetzung guter Vorsätze.