Bewältigungsstrategien bei Krebs:Was Psychologen für Krebspatienten tun können

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Psychoonkologen können Krebspatienten helfen. Doch der Glaube an die Heilkraft der Seele scheint unrealistisch.

Von Hanno Charisius

An Krebs erkrankt nicht nur der Körper, der Krebs frisst sich häufig auch tief in die Seele. Die Belastung durch Diagnose, Behandlung und das Leiden selbst ist so groß, dass gut jeder dritte Krebspatient im Verlauf seiner Erkrankung zusätzlich noch eine psychische Störung entwickelt. Besonders oft treten Angstzustände oder Depressionen auf. Das ist eine erschütternd große Zahl. "Doch das bedeutet auf der anderen Seite auch, dass die große Mehrheit der Patienten mit den extremen Belastungen zurechtkommt und eigene Bewältigungsstrategien entwickelt", sagt Frank Schulz-Kindermann, der die Spezialambulanz für Psychoonkologie am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf leitet.

Psychologen können den Krebspatienten beim Umgang mit der Krankheit durch schwere Phasen helfen, etwa während der Behandlung, heilen können sie nicht. "Es gibt Patienten, die hier in der Hoffnung auftauchen, dass wir schaffen, was die Krebsmediziner nicht geschafft haben", erzählt Schulz-Kindermann. Der Glaube, über die Psyche lasse sich das Immunsystem zum Kampf gegen den Krebs mobilisieren, ist verbreitet. Es gibt sogar Studien, die solche Mechanismen belegt haben wollen, doch der Hamburger Psychoonkologe kann dies auch nach 30 Jahren Berufserfahrung nicht eindeutig bestätigen.

"Ich bin da sehr skeptisch. Wir sind einfach noch nicht so weit, dass wir solche Zusammenhänge, die es sicher geben wird, systematisch beeinflussen können." Genauso wenig gibt es Charakterzüge, die anfälliger machen für eine Krebserkrankung als andere. Auch diese Vorstellung von einer "Krebspersönlichkeit" hält sich hartnäckig, obwohl es dafür "keine haltbaren Belege" gibt, wie es die Patientenleitlinie zur "psychosozialen Unterstützung für Krebspatienten und Angehörige" klar formuliert. Auch dem Glauben, dass seelische Belastungen wie Stress oder Depressionen zur Entstehung von Krebs führen können, widersprechen die Autoren der Leitlinie entschlossen.

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Oft führt die Todesangst dazu, dass Menschen sich abkapseln. Dagegen gibt es Hilfe

Die Arbeit der Psychologen und Psychotherapeuten unterscheidet sich je nach dem, in welcher Phase sie den Patienten treffen. Am Anfang geht es oft um die Bewältigung des Traumas, das eine Diagnose verursachen kann. "Viele beschreiben die Erkrankung als einen Sturz aus der Wirklichkeit", sagt Schulz-Kindermann. Die Todesangst könne dazu führen, dass sich Menschen abkapseln, weil sie nicht wollen, dass Freunde oder die Familie sie in dieser Situation erleben. "Das Bindungssystem gerät in solchen Situationen in Gefahr, das versuchen wir zu stabilisieren."

Die psychoonkologische Betreuung sollte sich durch alle Phasen der Erkrankung ziehen, einschließlich Behandlung und Rehabilitation und schlimmstenfalls auch im Sterben. Die psychischen Langzeitfolgen von Krankheit und Behandlung lassen sich besser kontrollieren, je früher Psychoonkologen mit den Patienten daran arbeiten können. Die psychologische Unterstützung sieht von Fall zu Fall unterschiedlich aus - weil die Krankheit bei jedem anders verläuft und weil die Experten mit den Betroffenen sehr individuelle Strategien entwickeln.

Viel Unterstützung ist vor und während der Behandlung nötig. Schwere chirurgische Eingriffe und Nebenwirkungen von Chemotherapeutika belasten die Patienten. Sie müssen lernen, mit Symptomen und Begleiterscheinungen der teils sehr langwierigen Behandlung umzugehen. Manchmal müssen Patienten auch große Risiken in Kauf nehmen: Neue Therapien sind oft so wenig erprobt, dass die Ärzte kaum sagen können, wie der Körper reagieren wird. Die Ungewissheit darüber, wie die Behandlung anschlagen wird, bereitet zusätzlich Stress.

Selbst wenn die medizinische Therapie erfolgreich verläuft, brauchen viele Patienten weiterhin psychologische Unterstützung. Mitunter bleiben Symptome der Erkrankung zurück. Viele müssen den Verlust von Organen oder Körperfunktionen überwinden und brauchen Hilfe, um in ihrem neuen Leben Perspektiven zu entwickeln.

Wenn die Krankheit voranschreitet, erleben viele Patienten ein Gefühl völligen Sinnverlustes. "Seit einiger Zeit arbeiten wir sehr gezielt an diesen Sinnthemen", sagt Schulz-Kindermann, früher habe man sich das nicht getraut. Manche Patienten dagegen würden mit besonderer Aufmerksamkeit auf das Fortschreiten der Krankheit reagieren: "Wir sprechen da von doppelter Bewusstheit: Auf der einen Seite sich schon klar darüber zu sein, dass man sich mit Sterben und Tod auseinandersetzen muss, und auf der anderen Seite zu spüren, dass diese Auseinandersetzung auch ein Gefühl großer Vitalität erzeugen kann."

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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