Interview am Morgen: Ebola:"Extrem schwierig, den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen"

Interview am Morgen: Ebola: Christian Kleine ist für Ärzte ohne Grenzen in der Demokratischen Republik Kongo im Einsatz.

Christian Kleine ist für Ärzte ohne Grenzen in der Demokratischen Republik Kongo im Einsatz.

(Foto: MSF/Alexis Huguet)

Im Kongo breitet sich Ebola aus. Christian Kleine kämpft dort gegen das Virus. Der Arzt erklärt, wie Milizen die Eindämmung erschweren und warum Überlebende die besten Helfer sind.

Interview von Isabel Pfaff

Erst Anfang 2016 wurde die verheerende Ebola-Epidemie in den drei westafrikanischen Staaten Liberia, Guinea und Sierra Leone für beendet erklärt. Im Sommer 2018 brach die hochansteckende Krankheit wieder aus, diesmal im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo. Dort bekämpfen sich Milizen, die Zivilbevölkerung gerät ständig zwischen die Fronten. Der WHO zufolge handelt es sich um die zweitschwerste Ebola-Epidemie der Geschichte. Mehr als 420 Infektionen gab es schon, 245 Menschen haben die Krankheit nicht überlebt.

Der 42-jährige Tropenmediziner Christian Kleine aus Würzburg ist für Ärzte ohne Grenzen vier Wochen lang in der 400 000-Einwohner-Stadt Beni im Einsatz.

SZ: Herr Kleine, seit zwei Wochen sind Sie in der Demokratischen Republik Kongo, um Ebola zu bekämpfen. Wie sieht Ihre Arbeit dort aus?

Christian Kleine: Ich arbeite in der Stadt Beni im Nordosten des Landes. Ärzte ohne Grenzen unterhält hier ein sogenanntes Transitzentrum. Wir nehmen Verdachtsfälle auf und testen sie auf Ebola. Wenn der Test positiv ist, werden sie ins benachbarte Ebola-Behandlungszentrum hier in Beni gebracht. Ist er negativ, bleiben die Patienten weiter bei uns und machen noch einen zweiten Test zur Sicherheit. Leiden sie an anderen Krankheiten, wie etwa Malaria, behandeln wir sie hier oder leiten sie an weitere Krankenhäuser um. So können sich die Kollegen im anderen Zentrum auf Ebola konzentrieren.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Sie waren auch als Helfer in Westafrika im Einsatz, als dort 2014 die schlimmste Ebola-Epidemie der Geschichte tobte. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit damals von dem Einsatz heute?

Wir arbeiten im Grunde nach demselben Schema wie in Westafrika vor vier Jahren, ich konnte also direkt einsteigen. Ich leite hier ein Team aus kongolesischen und internationalen Ärzten und Pflegern, schreibe Dienstpläne, behandele aber auch selbst Patienten, natürlich im Schutzanzug, um nicht mit den Körperflüssigkeiten der Kranken in Berührung zu kommen. Die Arbeit ist extrem anstrengend, ich arbeite von 7 Uhr früh bis Einbruch der Dunkelheit um etwa 18 Uhr, nachts habe ich Bereitschaft. Einen großen Unterschied aber gibt es natürlich: Wir arbeiten hier in einem Konfliktgebiet.

Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Arbeit?

Es gibt Zonen, die wir Helfer nicht betreten können, es ist zu gefährlich. Auch hier in Beni gibt es Stadtviertel, in die wir nicht rein können. Das macht es extrem schwierig, den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen. Alle Kontaktpersonen von Ebola-Patienten müssen ja überwacht und bei Fieber sofort getestet werden. Hier geht das nicht, und so haben wir immer wieder Fälle, wo uns die Infektionsketten völlig unklar sind.

Zum ersten Mal kommen dort neue Medikamente zum Einsatz, die noch in der Testphase sind. Wirken sie?

Dazu kann ich nichts sagen, das werden die klinischen Studien zeigen. Das Verfahren ist sehr aufwändig, weil man die Patienten natürlich zuerst aufklären muss und ihr Einverständnis braucht. Aber ich setze große Hoffnungen darauf, dass diese Medikamente helfen. Zum ersten Mal gibt es auch Impfungen, vor allem für die Helfer an vorderster Front. Auch ich habe mich impfen lassen.

Während der Ebola-Epidemie in Westafrika, der mehr als 11 000 Menschen zum Opfer fielen, wurde der internationalen Gemeinschaft vorgeworfen, viel zu wenig viel zu langsam getan zu haben. Wie sehen Sie die internationale Reaktion auf den aktuellen Ausbruch?

Meinem Eindruck nach ist die internationale Hilfe diesmal sehr schnell angelaufen, es sind viele Helfer da. Und: Es helfen auch viele Überlebende, das ist sehr berührend. Wer Ebola überstanden hat, verfügt ja über Antikörper. Bei uns arbeiten die Überlebenden deshalb in der Hochrisiko-Zone des Behandlungszentrums. Sie kümmern sich vor allem um die kranken Kinder, deren Eltern sich nicht angesteckt haben und die deshalb alleine sind.

Wie ist Ihre Prognose?

Ich will, ehrlich gesagt, keine wagen. Der Ausbruch ist noch nicht unter Kontrolle. Allein in Beni hatten wir zuletzt 15 neue Ebola-Fälle pro Woche. Jede Woche kann anders aussehen, Ebola-Patienten kommen meistens in Wellen. Die Bevölkerung ist hier genauso mobil wie in den damals betroffenen Staaten in Westafrika, die Menschen sind extrem viel unterwegs. Da verbreitet sich so eine Krankheit rasend schnell.

Zur SZ-Startseite

Kampf gegen Ebola
:Das Virus und der Krieg

In der Demokratischen Republik Kongo wütet der schwerste Ebola-Ausbruch in der Geschichte des Landes. Die Arbeit der Helfer ist extrem gefährlich.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: