Süddeutsche Zeitung

"Superfood":Die Legende von Aronia

  • Die Aroniabeere enthält große Mengen von Pflanzenstoffen, die als besonders förderlich für die Gesundheit gelten, deshalb wird sie auch als "Superfood" angepriesen.
  • Die Anbauflächen mit dieser Frucht wachsen weltweit - auch in Deutschland.
  • Mit der Trockenheit im vergangenen Sommer konnten die Sträucher gut umgehen.

Von Hanno Charisius

Polyphenole, das klingt nicht wie etwas, das sich Menschen freiwillig ins Müsli mischen würden. Und doch gibt es einige besonders ernährungsbewusste Menschen, die eine erbsengroße, dunkelblaue Beere für eben diese Inhaltsstoffe besonders schätzen. Aronia wird die Frucht genannt, deren Geschmack als herb-säuerlich beschrieben wird. Deutsche Botaniker sprechen auch von der Apfelbeere, dem jüngsten Spross im Garten der Superfrüchte, denen die erstaunlichsten Fähigkeiten nachgesagt werden.

Wenn man der Website des Interessenverbands Aroniabeere e. V. glauben könnte, würde die Frucht unter anderem gegen Diabetes, Bluthochdruck, das Augenleiden Grüner Star, Borreliose und Heuschnupfen helfen. Klinische Studien, die wissenschaftliche Belege für diese Behauptungen liefern würden, sucht man in den Datenbanken für medizinische Fachliteratur jedoch vergebens. Auch in diversen deutschsprachigen Heilpflanzenlexika taucht die Beere bislang nicht auf.

Die Legendenbildung ist in diesem Fall einfach gewesen: Aronia enthält große Mengen an Pflanzenstoffen, denen besonderer gesundheitlicher Nutzen nachgesagt wird. Die besonders dunklen Aronia-Sorten liefern so viel Anthocyan - das zu den Polyphenolen gehört - wie kaum eine andere Frucht. Dieser Stoff gilt als mächtiger "Radikalfänger", er macht Sauerstoffverbindungen in Zellen unschädlich, die ansonsten Biomoleküle wie Enzyme, aber auch das Erbgut beschädigen können.

Die zellschützenden Effekte der Pflanzenstoffe wurde im Labor oft beobachtet. Andere Anthocyan-Varianten kommen auch in bekannten Heilpflanzen wie Weißdorn vor, deren Extrakte Patienten mit milder Herzschwäche helfen können. Doch Untersuchungen mit Aronia an Patienten gebe es bislang nicht, sagt Angelika Vollmar, Professorin für Pharmazeutische Biologie an der Universität München. Sie warnt davor, zu viele Antioxidantien einzunehmen, da auch diese der Zelle Stress bereiten können. Zudem enthalten die Beeren weitere Substanzen wie giftige Blausäure, die sich gegenseitig beeinflussen können - mit unbekannten Folgen.

Dennoch gebe es um Aronia gerade einen Hype "wie zuvor bereits um Cranberries oder Heidelbeeren", sagt Vollmar. Dieser Hype lässt sich in Quadratmetern messen. Vor wenigen Tagen meldete das niedersächsische Landesamt für Statistik, dass sich die Aronia-Anbauflächen in dem Bundesland zwischen 2015 und 2018 etwa vervierfacht haben auf zuletzt fast 70 Hektar. Bundesweit wurden 2016 gut 1100 Tonnen Aroniabeeren auf knapp 560 Hektar geerntet, die größten Mengen in Sachsen, Bayern und Brandenburg.

"Wir versuchen unsere gesundheitlichen Sünden im Alltag durch solche vermeintlichen Superfrüchte auszugleichen", sagt Jörg Heilmann, Professor für Pharmazeutische Biologie an der Universität Regensburg, "aber das funktioniert so nicht, das sind keine Medikamente." Zumindest schaden könne Aronia seiner Meinung nach aber nicht, "wenn man sie in Maßen zu sich nimmt". Wenn sie einem denn schmeckt. Heilmann selbst isst lieber süßere Früchte.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2019
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