Prävention hat gerade ein erstaunliches Gewicht bekommen. Was bis vor Kurzem noch undenkbar war, ist in der Corona-Zeit überraschende Wirklichkeit: Die Interessen der Gesundheit gehen knallhart vor. Es ist ja nicht so, dass der Schutz von Leib und Leben hierzulande bisher einen besonders hohen Stellenwert gehabt hätte. Deutschland ist immer noch Raser-Nation, und beim Alkoholkonsum ist es auf Platz 5 in der Welt vorgerückt, während es selbst Russland (nur noch Platz 16) gelungen ist, den Alkoholismus etwa durch strenge Abgaberegelungen an Minderjährige und ein striktes Werbeverbot zu drosseln.
Hoffnung macht da allein der Nichtraucherschutz, der nach langem Zögern endlich Alltag wurde; Grund zum Aufatmen ist auch das neue EU-weite Verbot von Mentholzigaretten. Diese sind eine besonders perverse Form des an sich schon hochproblematischen Produkts Zigarette. Denn Menthol betäubt den Rachen und macht den beißenden Tabakrauch weicher. Daher verführen Mentholzigaretten vor allem Jugendliche, sie sind oft der Einstieg in eine lebenslange Sucht.
Alltagsdrogen wie Alkohol und Tabak richten tagtäglich physisches, wirtschaftliches und soziales Elend an
Doch die gnadenlose Profitgier der Tabakindustrie lässt sich nicht so leicht ausdrücken wie eine Kippe. Seit es Nichtraucherschutzgesetze gibt, bewirbt die Industrie E-Zigaretten als vermeintlich gesunde Alternative - und nutzt dabei die gleichen hinterhältigen Methoden, mit denen sie einst den Zusammenhang von Rauchen und Krebs vernebelte. Nun setzt der Reemtsma-Konzern in Sachen Menthol noch eins drauf: Er verkauft "Aroma Cards", die man sich in die Schachtel zu seinen Zigaretten legen kann; nach 60 Minuten schmecken diese dann nach Menthol. Und weil die Karten keine Tabakprodukte sind, fallen sie nicht unter das Verbot.
Die geschmacklose Aktion zeigt: Wer die Gesundheit schützen will, muss wachsam bleiben. Nun müssen eben auch die Aroma-Karten verboten werden.
Es ist gewiss so, dass manchen Menschen Verbote (im Gegensatz zu Menthol) nicht schmecken. Aber das physische, wirtschaftliche und soziale Elend, das Alltagsdrogen wie Alkohol und Tabak tagtäglich anrichten, macht weitere Verbote ebenso notwendig wie die Schutzmaßnahmen in der aktuellen Pandemie. Bleibt zu hoffen, dass der Schub für die Prävention auch nach Corona wenigstens zum Teil erhalten bleibt.