Arbeitsweg und Wohlbefinden:Freizeitstress der Pendler

Stau am Mittleren Ring in München, 2011

Schon der Anblick bringt den Blutdruck eines Pendlers in die Höhe: Stau am Mittleren Ring in München.

(Foto: Robert Haas)

Je länger der Arbeitsweg, desto unzufriedener werden Pendler mit ihrem Leben. Warum das so ist, haben kanadische Forscher nun genauer ermittelt. Schuld sei nicht nur der tägliche Stau.

Von Christina Waechter

Morgens in der langen Autoschlange auf dem Weg zur Arbeit hat man oft genügend Zeit, lange und komplizierte Gedanken zu Ende zu denken. Und schafft dann doch meist nur den immer gleichen: "Groll, Groll, Groll!" Auf die anderen Autofahrer, auf die sinnlose Zeitverschwendung, auf die Tatsache, dass man keine Wohnung in direkter Nachbarschaft zum Arbeitsplatz gefunden hat oder umgekehrt.

Warum das Pendeln die Menschen so fertig macht, haben kanadische Forscher der Universität Waterloo nun genauer untersucht. Im World Leisure Journal schreibt das Team um die Sozialwissenschaftlerin Margot Hilbrecht, es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen der Länge des Arbeitsweges und der allgemeinen Lebenszufriedenheit. Je mehr Zeit jemand für die Anfahrt zum Job brauche, desto unzufriedener werde er im Allgemeinen. Und daran sei nicht nur der täglich wiederkehrende Stau an den immer selben Stellen schuld.

Für die Studie werteten die Forscher eine Umfrage der kanadischen Regierung unter 3409 Pendlern aus, die angegeben hatten, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Die Teilnehmer beantworteten darin Fragen zum alltäglichen Zeitdruck ("Fühlen Sie sich in einer täglichen Routine gefangen?") und bewerteten auf einer Skala von 1 bis 10, wie zufrieden sie allgemein mit ihrem Leben waren. Daraus berechneten die Forscher einen Wert für das allgemeine "Wohlbefinden".

Pendler haben weniger Freizeit

Im Durchschnitt verbrachten die Pendler fast eine Stunde täglich im Auto. Dabei stellten die Forscher fest, dass diejenigen mit längeren Anfahrtswegen ihre Lebenszufriedenheit allgemein geringer bewerteten. Zudem fühlten sie sich allgemein einem größeren Zeitdruck ausgesetzt, besonders wenn sie den Verkehr häufig als stockend empfanden. All das kann langfristig der Gesundheit schaden. Pendler leiden häufiger unter Bluthochdruck, Übergewicht, Abgeschlagenheit und fehlen häufiger wegen Krankheit bei der Arbeit.

Die Forscher begründen das jedoch nicht nur mit der Zeit, die Pendler auf den Straßen verbringen - sondern besonders damit, dass ihnen dadurch Zeit für Bewegung fehle. "Längere Anfahrtswege bedeuten weniger Zeit für andere Aktivitäten, dadurch sinkt das Wohlbefinden", erklärte Studienautorin Margo Hilbrecht in einer Mitteilung der Universität. Umgekehrt könne physische Aktivität den Stress durch das Pendeln lindern, "sofern Angestellte das in ihren täglichen Routinen unterbringen."

Dieser Zusammenhang könnte auch erklären, warum Fahrradfahrer und Fußgänger meist entspannter an ihrem Arbeitplatz ankommen. So empfiehlt eine britische Studie Pendlern, ihr Auto stehen zu lassen und stattdessen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad zur Arbeit zu fahren.

Besser ein Job in der Nähe als mehr Geld?

Arbeitgebern empfehlen die kanadischen Forscher, ihren Angestellten flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen und ihnen auch während der Arbeit die Möglichkeit zu körperlicher Aktivität zu geben. Für den Fall, dass das alles nicht drin ist, hat Hilbrecht im Hinblick auf die Gesundheit einen letzten Tipp als ultima ratio: "Vielleicht sollte man lieber einen Job in der Nähe annehmen, auch wenn er ein bisschen schlechter bezahlt ist."

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