Am Ende wird die Krebsangst steigen. Die negative Stimmung gegenüber der Pille wird weiter zunehmen. Jene, die immer schon gewusst haben, dass "die Hormone" und "die Chemie" schädlich sind, werden sich bestätigt fühlen. Dass die tatsächliche Zunahme des Risikos für Frauen in absoluten Zahlen nur marginal ausfällt, wird hingegen kaum wahrgenommen werden. Und es wird kaum eine befriedigende Antwort auf die Frage geben, wie Frauen denn sonst zuverlässig verhüten sollen und was eine ähnlich sichere Alternative zur Pille wäre.
Und wenn es ganz blöd läuft, werden Tausende von Frauen die Pille absetzen. Es wird daraufhin zu Tausenden ungewollten Schwangerschaften und vielen Schwangerschaftsabbrüchen kommen. Dabei werden Komplikationen auftreten, manchmal leider auch Todesfälle. In der Summe werden mehr Frauen darunter leiden, dass sie die Pille abgesetzt haben als unter den angeblich gestiegenen Gefahren durch die Pille. Dass dieses Szenario durchaus realistisch ist, dazu später mehr.
Die Vorteile der Pille sollten gegen die Risiken abgewogen werden
Anlass für die düstere Prognose ist eine große Untersuchung aus Dänemark, die im New England Journal of Medicine erschienen ist. Gynäkologen aus Kopenhagen zeigen darin, dass die Pille das Risiko für Brustkrebs um 20 Prozent erhöht, wenn Frauen die Verhütungs-Tabletten nehmen oder bis vor kurzem genommen haben. "Allerdings sollte dieses Risiko abgewogen werden gegen den wichtigen Nutzen der hormonellen Verhütung wie beispielsweise ihre hohe Zuverlässigkeit und der Schutz vor anderen Krebsarten", schreiben die Autoren um Lina Mørch.
Für die Studie wurde das Befinden und die Gesundheit von 1,8 Millionen Frauen im Mittel über elf Jahre beobachtet, sodass die Datenbasis außerordentlich umfangreich ist. Nahmen Frauen die Pille kürzer als ein Jahr, stieg ihr Risiko um neun Prozent an, einen Tumor der Brust zu entwickeln. Bei einer mehr als zehnjährigen Anwendung war die Wahrscheinlichkeit hingegen sogar um 38 Prozent erhöht.
Das neue an der Analyse der dänischen Ärzte bestand darin, dass sie Pillen der jüngsten Generationen untersucht haben, deren Hormongehalt deutlich geringer ist als jener der älteren Präparate. Von frühen Pillengenerationen ist bekannt, dass sie das Risiko für Brustkrebs um bis zu 20 Prozent steigern können - sie senken allerdings auch die Wahrscheinlichkeit, an einem Tumor der Eierstöcke, des Endometriums und des Enddarms zu erkranken.
"Die Studie wurde hochkarätig publiziert und umfasst eine sehr große Zahl an Fällen", sagt Sven Mahner, Direktor der Frauenklinik am Uniklinikum München. "Allein deshalb bekommt sie viel Aufmerksamkeit, aber nüchtern betrachtet ist das nicht neu, das erhöhte Risiko kennen wir auch aus anderen Studien."
Zudem sollte sich jede Frau, die jetzt womöglich verunsichert ist, vergegenwärtigen, was es mit der angeblich erhöhten Bedrohung konkret auf sich hat. "Das Risiko steigt absolut gesehen um 13 zusätzliche Brustkrebsfälle unter 100 000 Frauen", merkt der Oxford-Mediziner David Hunter in einem begleitenden Kommentar an. Das ist gleichzusetzen mit 1,3 Krebsfällen pro 10 000 Frauen und einer Erhöhung des absoluten Risikos um 0,013 Prozent.
"Es gibt keinen Grund für eine Panikreaktion, Frauen müssen jetzt nicht die Pille absetzen", sagt Mahner. "Aber sie sollten eben auch regelmäßig mit ihrem Frauenarzt beraten, was in welcher Lebenssituation die passende Verhütung ist. Bei Frauen über 35 kann man auch über die Spirale nachdenken." Die dänische Analyse hatte nämlich auch ergeben, dass bei Frauen unter 35 das Risiko mit Pille nur um zwei zusätzliche Brustkrebsfälle pro 100 000 ansteigt. "Die meisten Frauen, die die Pille nehmen, sind ja unter 35", so Mahner. "Da sind zwei Fälle schon sehr wenig."
Die eine Superpille ohne Risiko gebe es nun mal nicht, so der Frauenarzt. Das zeigten Analysen der Untergruppen, in denen verschiedene Hormonkombinationen, wie sie in den aktuellen Präparaten vorkommen, ausgewertet wurden. Zudem müsste in Betracht gezogen werden, dass die Pille Beeinträchtigungen durch Menstruationsschmerzen oder Erkrankungen wie Endometriose erfolgreich lindert und sogar das Risiko für Tumore wie Eierstockkrebs deutlich reduzieren kann. "Insgesamt wird mit der Pille wohl sogar mehr Krebs verhindert als potenziell ausgelöst", ist Mahner überzeugt. "Aber die Pille ist ein Medikament - das Wirkungen und Nebenwirkungen hat.
Wird sie genommen, sollte es immer eine klare Indikation geben." Risikoforscher Gerd Gigerenzer hatte vor Jahren gezeigt, welche desaströsen Folgen 1995 die Warnung vor der damals neuesten Pillengeneration in Großbritannien hatte. Gesundheitsbehörden verschickten seinerzeit alarmistische Briefe, in denen ein Anstieg des Risikos für Thrombosen um 100 Prozent prognostiziert wurde. Absolut gesehen bedeutete dies, dass statt einer von 7000 Frauen unter der alten Pille bei zwei von 7000 Frauen unter der neuen das Blut zu verklumpen drohte - ein ähnliches Verhältnis wie die 1,3 Krebsfälle pro 10 000 Frauen aktuell.
Trotz des allenfalls marginalen Risikozuwachses setzten Zehntausende Frauen die Pille ab. Es kam in der Folge zu 13 000 zusätzlichen Abtreibungen im Vergleich zu den Jahren zuvor und etlichen ungewollten Schwangerschaften. Beides erhöhte die Wahrscheinlichkeit für Thrombosen weitaus mehr als die Pille.
Oxford-Arzt Hunter fordert in seinem Kommentar denn auch, das nur "wenig erhöhte Risiko für Brustkrebs" gegen die vielen Vorteile der Pille abzuwägen, sowie die Tatsache, dass eine Risikosteigerung für den Tumor auch deshalb so marginal ausfällt, weil "die Häufigkeit von Brustkrebs unter jungen Frauen insgesamt gering" ist. "In der Summe gibt es wenige Verhütungsmittel, die so zuverlässig sind wie die Pille", sagt Frauenarzt Mahner. "Und deren Wirkung zudem auch so schnell wieder reversibel ist."