Alzheimer vorbeugen:"Routine ist der Feind des Gedächtnisses"

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Aktiv und in Kontakt: So lässt sich die Alzheimer-Erkrankung hinauszögern. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die gute Nachricht: Alzheimer lässt sich vermeiden oder hinauszögern. Die weniger positive: Kreuzworträtsel bis zum Abwinken taugen nicht dazu. Wer sich schützen will, muss mehr tun - und früh beginnen.

Von Katrin Neubauer

Vormittags zwei Stunden spazierengehen, nachmittags mit den Enkelkindern Memory spielen und abends zum Seniorentanz - das macht den Ruhestand nicht nur abwechslungsreich, sondern ist auch ein gutes Programm gegen Alzheimer. Ein Wundermittel gegen den Ausbruch dieser Demenzform gibt es zwar nicht, dennoch gilt: "Es ist unumstritten, dass neben Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes auch der Lebensstil eine entscheidende Rolle bei der Ausprägung der Krankheit spielt", sagt Christine von Arnim, Leiterin der Gedächtnisambulanz am Universitätsklinikum Ulm. "Inzwischen gibt es gut belegte Studien, die zeigen, dass Bewegung, Ernährung und geistige Regsamkeit das Alzheimer-Risiko senken."

Prävention kann und sollte früh beginnen. "Das fängt schon mit der Ausbildung an", sagt von Arnim. "Wer einen anspruchsvollen Job hat, eine Fremdsprache oder ein Instrument lernt, bildet eine kognitive Reserve, von der er im Alter zehren kann." US-amerikanische Forscher glauben, dass ein Fünftel der Demenzfälle verhindert werden könnte, wenn durch gute Erziehung und Bildung mehr Reservekapazitäten aufgebaut würden. Auch französische Wissenschaftler stellten bei einem Vergleich von Renten- und Gesundheitsdaten fest, dass eine längere Berufstätigkeit mit einem geringeren Demenzrisiko einhergeht.

Je stärker das Gehirn gefordert wird, desto leistungsfähiger bleibt es - auch im Alter. Selbst Hochbetagte können ihre Zellen mit geistig anregender Freizeitbeschäftigung wie Lesen, Schreiben, Kreuzworträtseln, Karten- und Brettspielen oder Musizieren länger fit halten.

Allerdings: "Gedächtnistraining heißt nicht nur Memory und Kreuzworträtsel, sondern auch, sich immer wieder neuen Aufgaben zu stellen", sagt Hans Gutzmann, Präsident der Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie. "Eingespielte Routine ist ein Feind des Gedächtnisses." Wer im Alter hingegen immer für Neues offen bleibt und Herausforderungen sucht, hält seine grauen Zellen fit. Dazu tragen auch soziale Kontakte bei. Denn wer keine Gelegenheit zum Gedankenaustausch mit anderen hat, läuft Gefahr, sein Gehirn zu unterfordern.

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Zu den Säulen der Demenz-Vorsorge zählt auch körperliche Fitness. Bewegung hat direkte Effekte auf das Gehirn. Sie verbessert die Durchblutung und regt die Entstehung von Verbindungen zwischen den Nervenzellen an. Zudem fördert körperliche Anstrengung den Schlaf und wirkt stressabbauend. "Jede Art von Bewegung, insbesondere aber Ausdauer- und Koordinationstraining bringt die Nervenzellen zum Feuern", sagt von Arnim. In Studien wurde gezeigt, dass Sport die Ausschüttung eines Proteins (Brain-derived Neurotrophic Factor BDNF) fördert, das Nervenzellen schützt und am Wachstum neuer Zellen beteiligt ist. Es ist vor allem in Bereichen aktiv, die für Gedächtnis und abstraktes Denken verantwortlich sind.

"Mindestens dreimal pro Woche eine halbe Stunde außer Puste kommen, kann Gedächtniseinbußen vorbeugen", sagt die Neurologin. Auch Tanzen habe gute Effekte und selbst ein längerer Spaziergang tut den Nerven gut. "Welche Bewegung auch immer - es kommt dabei nicht auf Höchstleistungen an. Entscheidend ist vielmehr Regelmäßigkeit und dass es Spaß macht", empfiehlt von Arnim. Studien zufolge haben Menschen, die nicht körperlich aktiv sind ein 20 bis 70 Prozent höheres Risiko an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken.

Ein weiterer Baustein ist die Ernährung. So fanden Forscher in einer Langzeitstudie an über 2000 New Yorkern heraus, dass Menschen, die hauptsächlich mediterrane Kost zu sich nahmen, seltener an Alzheimer erkrankten. Die Mittelmeerküche besteht vornehmlich aus einer ausgewogenen Mischung an Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Getreide, Fisch und Olivenöl. "Es wird vermutet, dass ungesättigte Fettsäuren und Antioxidantien eine schützende Wirkung haben", sagt Christine von Arnim. Handfeste klinische Beweise dafür gibt es bislang aber nicht.

Nachgewiesen ist hingegen, dass eine ausreichende Versorgung mit Folsäure und B-Vitaminen dem Zellabbau im Hirn vorbeugt. Die sind für den Abbau des giftigen Stoffwechselprodukts Homocystein zuständig, das im Verdacht steht, Alzheimer zu fördern. Folsäure ist in Orangen, grünem Blattgemüse und Vollkornprodukten sowie in Hefe, Fisch, Geflügel und Milchprodukten enthalten. Vitamin B12 kommt fast ausschließlich in tierischen Nahrungsmitteln wie Fisch, Muskelfleisch, Leber, Milch und Eiern vor.

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Die Neurologin stellte zudem in Untersuchungen an 1.500 Menschen zwischen 60 und 90 Jahren in Ulm fest, dass Demenzkranke zu wenig Vitamin C und Beta-Carotin im Blut hatten. "Allerdings wissen wir nicht, ob die Demenz Ursache oder Folge dieses Mangels ist", so von Arnim. Die genauen Zusammenhänge zwischen Vitaminmangel und Demenz sind schwer zu beweisen. Fakt ist, dass ausreichende Vitamine sich in jeden Fall günstig auf die Gesundheit auswirken.

Schädlich für das Gehirn ist nicht nur ein Mangel an Nährstoffen, sondern auch zuwenig Schlaf. "Zwei unabhängig voneinander durchgeführte Studien aus den vergangenen vier Jahren legen nahe, dass ausreichend Schlaf die Ablagerung von Beta-Amyloiden reduziert", sagt Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin am Berliner St. Hedwig-Krankenhaus.

Beta-Amyloide, auch Plaque genannt, gelten als Hauptversursacher von Alzheimer. Sie lagern sich an den Gefäßen im Gehirn ab. Normalerweise wird Beta-Amyloid während des Nachtschlafs abgebaut. Bei Schlafentzug oder zu wenig Schlaf bleiben die gefährlichen Eiweißfragmente jedoch in den Gefäßen. Dort häufen sie sich auf Dauer zu harten, unauflöslichen Plaques an.

Studien zeigten zudem, dass Bluthochdruck und Diabetes eine Alzheimer-Erkrankung begünstigen können, auch wenn die genauen Mechanismen noch nicht klar sind. Auf jeden Fall sollten beide Erkrankungen frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden.

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