Ein ordentlicher Händedruck verrät viel. Wer richtig zupacken kann, gilt nicht nur als dynamisch und tatkräftig, sondern hat auch Aussichten, lange und bei guter Gesundheit zu leben. In etlichen Studien hat sich die Stärke des Händedrucks als aussagekräftiger Prognosefaktor erwiesen. Wer hingegen nur wenig Kraft in den Fingern und Unterarmen hat, dem drohen frühe Gebrechlichkeit, Krankheit und sogar kognitive Einbußen. Wird die Griffstärke beim Arzt erhoben, gibt es jetzt hilfreiche Orientierung. Im Fachmagazin Plos one (online) beschreibt Nadia Steiber von der Universität Wien nach Auswertung Tausender Messergebnisse die Referenzwerte für die Bevölkerung in Deutschland.
Die Wirtschaftssoziologin hat Daten von fast 12 000 Erwachsenen analysiert, die im sozioökonomischen Panel erfasst wurden. Diese repräsentative Befragung läuft bereits seit 30 Jahren. Dabei zeigt sich, dass Männer die größte Handkraft im fortgeschrittenen Erwachsenenalter zwischen 30 und 49 Jahren aufweisen - und zwar durchschnittlich 54 Kilogramm. Frauen erreichen die maximale Greifkraft zwischen 35 und 44 Jahren und kommen in dieser Zeit im Mittel auf 34,5 Kilogramm. "Sportler sind zwar oft mit 20 bis 30 Jahren am erfolgreichsten, aber da geht es zumeist um Geschwindigkeit", sagt Steiber. "Die Kraft in Hand und Unterarm baut sich im Erwachsenenalter noch auf und ist mit 30 oder 40 Jahren am stärksten."
Zur Veranschaulichung dieser Werte dient ein einfacher Test mit Waage. Wenn man bei 54 Kilogramm einhändig mit dem Griff an eine Stange sein Gewicht - bei gestreckten Armen - für fünf Sekunden anheben kann, beträgt die Griffkraft mindestens 54 Kilogramm. Ein 90 Kilo schwerer Mann kommt auf die gleiche Griffstärke, wenn er sich so abheben kann, dass die Waage nur noch 36 Kilogramm anzeigt.
Klinisch relevant wird es, wenn die Griffstärke bei Männern um mehr als neun Kilogramm unter dem Altersdurchschnitt liegt und bei Frauen um mehr als sechs Kilo. Dann geht die Selbständigkeit früh verloren und die Mobilität ist eingeschränkt. Parallel zur abnehmenden Griffstärke drohen Muskel- und Knochenschwund und auch die geistige Frische lässt eher nach. In der aktuellen Studie lagen zehn Prozent der 65- bis 69-Jährigen und etwa die Hälfte der 80- bis 90-Jährigen mit ihrer Griffstärke deutlich unter der Risikoschwelle für frühe Gebrechlichkeit. "Kraftverlust in der Hand zeigt an, dass Muskelschwäche und Altersgebrechen drohen", sagt die Altersmedizinerin Avan Aihie Sayer von der Universität Southampton.
Nadia Steiber betont, dass es nicht darum geht, nur die Hand zu trainieren. "Dadurch verbessert sich der Gesundheitszustand insgesamt nicht, dazu braucht es regelmäßig Bewegung und ausgewogene Ernährung." Die Folgen eines aktiven Lebenswandels ließen sich dann wiederum an der Griffkraft ablesen. Der naheliegende Test ist indes noch wenig verbreitet. "In der Praxis wäre die Bestimmung der Griffkraft ebenso einfach wie wichtig, um drohende Einschränkungen frühzeitig zu erkennen", sagt Steiber.