Allergien und Asthma:Wenn Heuschnupfen die Etage wechselt

Nur zehn Prozent der Allergiker werden angemessen behandelt. Viele besorgen sich auf gut Glück Medikamente in der Apotheke. Doch Heuschnupfen ist keine Bagatellerkrankung. Am Ende droht Asthma.

Von Jasmin Andresh

Auf dem Spielplatz reibt sich Anna ständig die Augen; ab und zu wird die Kleine von Niesanfällen geschüttelt. Die Mutter vermutet Heuschnupfen. Doch zum Arzt will sie nicht: "Der verschreibt uns dann gleich Medikamente. Und die machen doch so müde." Ihre Tochter hat währenddessen das Schaukeln aufgegeben, denn dazu braucht man die Hände.

Solche Tatenlosigkeit kann gefährlich sein. Wird Heuschnupfen nicht behandelt, verschlimmern sich bei der Hälfte der Betroffenen die Symptome bis hin zu einem allergischen Asthma. Bei Kindern ist das Risiko besonders groß. "Die Schleimhaut der Atemwege ist eine Einheit. Wir wissen nicht genau warum, aber die Beschwerden rutschen mit der Zeit von oben nach unten", erklärt Andreas Hellmann vom Bundesverband der Pneumologen. Die Entzündung weitet sich dann auf die unteren Atemwege aus und verengt die Bronchien. Das bezeichnet man als Etagenwechsel.

Wer den Verdacht auf eine Pollenallergie bei sich oder seinem Kind hat, sollte daher zum Arzt gehen - "auch wenn die Beschwerden vielleicht nur 14 Tage anhalten und man so schnell keinen Termin beim Allergologen bekommt", rät Hellmann. Eine Allergie könne man trotzdem feststellen. Und sie entsprechend behandeln. "Dann erleiden die Patienten deutlich seltener einen Etagenwechsel", sagt er.

Die richtige Behandlung des Heuschnupfens beinhaltet zweierlei: Zum einen die Linderung der akuten Symptome wie der laufenden Nase und der juckenden Augen durch anti-allergische oder anti-entzündliche Medikamente. "Mit einem Cortison-haltigen Nasenspray ist die Sache zu 80 Prozent erledigt", berichtet Hellmann aus seiner Praxis. Alternativ oder zusätzlich können Antihistaminika eingesetzt werden, die es mittlerweile frei verkäuflich in der Apotheke gibt. Anders als von vielen Menschen befürchtet, machen die neuen Antihistaminika nicht mehr müde. "Sie sind sogar für Berufspiloten zugelassen", sagt Hellmann. Manche Menschen reagierten trotzdem noch empfindlich, räumt der Lungenfacharzt ein. Doch sie können die Arznei am Abend nehmen.

Zweitens sollte geprüft werden, ob der Patient langfristig mit einer so genannten Hyposensibilisierung (medizinisch: "Spezifische Immuntherapie") behandelt werden kann, die ihn gegenüber dem Allergieauslöser unempfindlicher macht. "Die Hyposensibilisierung kann man ab dem Kindesalter versuchen", sagt Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (daab). In der Regel zeigen Kinder eine gute Verträglichkeit, doch ein schweres Asthma sollte nicht bestehen. Der Aufwand lohnt sich: Durch eine Hyposensibilisierung entwickelt ein Patient nicht nur seltener ein allergisches Asthma. Er reduziert auch sein Risiko, dass weitere Allergien dazukommen, und er kann die Medikamentendosis herunterfahren. Im besten Fall wird er seine Beschwerden ganz los.

Warum immer weniger Allergiker zum Arzt gehen

Und wenn sich bereits ein allergisches Asthma entwickelt hat? "Auch dann", warnt der Lungenfacharzt, "ist es entscheidend, dass die asthmatische Entzündung der Schleimhaut behandelt und kontrolliert wird." Gegebenenfalls müssen die Medikamente regelmäßig angepasst werden. Doch soweit müsste es gar nicht kommen, wenn alle Allergiker angemessen behandelt werden.

"Leider gehen immer weniger Menschen wegen ihrer Allergie zum Arzt", sagt Anja Schwalfenberg. Sie glaubt, viele Menschen würden sich durch die frei erhältlichen Anti-Allergika verleiten lassen, sich diese einfach in der Apotheke zu holen, anstatt einen Arzt aufzusuchen.

Nach Angaben des daab ist zugleich die Anzahl der allergologisch tätigen Praxen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen; nur noch 1,5 Prozent der deutschen Ärzte besitzen demnach eine allergologische Zusatzausbildung. Hellmann nennt als Gründe: "Unsere pauschalierten Vergütungen bestrafen Ärzte, die ihre Patienten dauernd sehen." Auch die Ärzte selbst hätten die Anforderungen an die Weiterbildungen zu hoch gelegt. "Man muss inzwischen fast zehn Jahre Klink machen, bevor man ein paar Spritzen geben darf." Das alles trage dazu bei, dass nach Angaben des daab von den etwa 30 Millionen Allergikern in Deutschland nur zehn Prozent adäquat behandelt werden.

Dabei spare die Hyposensibilisierung dem Gesundheitssystem erwiesenermaßen Geld. Die Folgekosten eines Asthmas seien viel höher. Vom Leid der betroffenen Patienten ganz zu schweigen.

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