Süddeutsche Zeitung

Lungentransplantation:Gespendete Erdnuss-Allergie

  • In einem Fachjournal wird der Fall einer Frau beschrieben, die eine Organspende erhielt und danach eine Allergie auf Erdnüsse entwickelte.
  • Vermutlich ging die Erdnuss-Allergie des Spenders auf die Patientin über.
  • Mediziner betonen, dass solche Fälle äußerst selten sind. Der genaue Mechanismus ist noch nicht geklärt.

Von Werner Bartens

Die 68-Jährige hatte einen klebrigen kulinarischen Klassiker gegessen, der in den USA sehr populär, für europäische Geschmäcker hingegen gewöhnungsbedürftig ist. Direkt nach Verzehr eines "Peanut Butter Jelly Sandwich" (Toast mit Erdnussbutter und Johannisbeergelee) bekam die Frau keine Luft mehr und drohte zu ersticken. Bisher hatte sie den süß-salzigen Snack immer gut vertragen, jetzt kostete er sie fast das Leben. Zwei Wochen zuvor hatte die Patientin aufgrund eines Stoffwechselleidens einen Lungenflügel verpflanzt bekommen; mit dem Transplantat wurde ihr offenbar nicht nur das Organ, sondern auch die Erdnuss-Allergie des Spenders übertragen.

"Es kommt äußerst selten vor, dass der Empfänger mit einer Lungentransplantation eine Unverträglichkeit bekommt", sagt Mazen Odish von der University of California in San Diego, der die Krankengeschichte in einem Fachmagazin veröffentlicht hat. Bisher sind nur fünf ähnliche Fälle beschrieben worden. Den wenigen Berichten über Lebensmittelallergien nach einer Organverpflanzung zufolge scheint das Risiko nach einer Transplantation der Leber und des Knochenmarks etwas höher zu sein. Auch Kinder sind offenbar stärker gefährdet.

Plötzlich reagierte die Frau empfindlich auf Schalenfrüchte

Nachdem die Patientin aus Kalifornien in Atemnot geraten und die Sauerstoffsättigung im Blut bedrohlich abgesunken war, musste sie 18 Stunden lang künstlich beatmet werden - zugleich stellten die Ärzte Nachforschungen im Transplantationsregister an. Dabei entdeckten sie, dass der 22-jährige Spender an einer Erdnuss-Allergie gelitten hatte. Im Blut der Organ-Empfängerin ließen sich zwar keine für die Allergie typischen Antikörper nachweisen, womöglich fiel der Test aber negativ aus, weil nach einer Organtransplantation Medikamente verabreicht werden, die das Immunsystem unterdrücken. Der empfindlichere Allergietest auf der Haut zeigte nämlich sehr wohl, dass die Patientin neuerdings nicht nur auf Erdnüsse, sondern auch auf andere Arten von Schalenfrüchten empfindlich reagierte.

Der genaue Mechanismus für eine mit der Transplantation erworbene Allergie ist nicht ganz geklärt. Vermutlich werden mit dem Organ manchmal auch allergieauslösende Antikörper oder weitere Signalstoffe des Immunsystems übertragen, die bei Kontakt mit Erdnüssen oder anderen Allergenen Symptome bis hin zum anaphylaktischen Schock auslösen können. Dann werden aus Mastzellen massenhaft Entzündungsstoffe wie Histamin freigesetzt, was in kurzer Zeit zu heftigen Symptomen wie Quaddelbildung, Schleimhautreizung und Gefäßerweiterung führen kann.

An einer Allergie gegen Erdnüsse leidet bis zu einem Prozent der Bevölkerung. Manchmal reichen kleinste Mengen, um schwere Symptome hervorzurufen. So kursieren immer wieder Berichte von Paaren, bei denen ein Kuss den Besuch in der Notaufnahme zur Folge hat - wenn einer von beiden stark allergisch ist und der andere gerade Erdnussbutter gegessen hat. Im Münchner Tatort "Unsterblich schön" kommen die Ermittler Batic und Leitmayr einem Mörder auf die Spur, der seine hochallergische Frau mit einem Abschiedskuss umgebracht hat - mit der Zunge hatte er ihr eine Erdnuss in den Mund geschoben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4272067
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.01.2019/cvei
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.