Süddeutsche Zeitung

Ernährung:Radikalkur gegen Erdnussallergie

  • Überempfindlichkeiten gegen Erdnüsse sind selten, können aber zum Tod führen. Bislang gibt es keine Behandlung.
  • Forscher haben nun versucht, Patienten langsam und stetig an das Allergen zu gewöhnen. Bei zwei Dritteln der Behandelten funktionierte das Vorgehen.
  • Allerdings bekamen einige der Versuchspersonen schwere Nebenwirkungen.

Von Berit Uhlmann

Bei all den Unverträglichkeiten und kollektiven Abneigungen gegen immer neue Bestandteile des Essens, wird bisweilen übersehen, wie belastend echte Nahrungsmittelallergien sein können. Das gilt besonders für die Erdnussallergie, die zwar selten ist, aber in schweren Fällen tödlich enden kann. Nun hat ein Forscherteam eine erfolgversprechende Behandlungsstrategie für die Patienten getestet. Sie versuchten, ähnlich wie man es vom Heuschnupfen kennt, die Erkrankten allmählich an das Allergen zu gewöhnen. Bei der Mehrheit der Versuchsteilnehmer funktionierte die Methode, schreiben die Forscher im New England Journal of Medicine.

Es war keine einfache Kur. Schon die Eingangsuntersuchung stellte einen Härtetest für die mehr als 550 Teilnehmer dar. Die Forscher verabreichten ihnen ein Erdnussprotein und registrierten die Reaktionen. Keiner vertrug mehr als 100 Milligramm (mg) des Eiweißes - eine Menge, die etwa einer Drittel Erdnuss entspricht. Anschließend wurde ein zufällig ausgewählter Teil der Gruppe an das Protein herangeführt. Die Patienten schluckten zunächst die winzige Menge von 0,5 mg und steigerten die Dosis im Verlauf von etwa einem Jahr auf 300 mg. Eine Kontrollgruppe bekam ein Scheinpräparat. Schließlich traten die Probanden zu einer Art Abschlussprüfung an: Sie nahmen eine Proteinmenge von 600 mg zu sich, dem Äquivalent von etwa zwei Erdnüssen. In der Behandlungsgruppe vertrugen zwei Drittel diese Dosis. 50 Prozent hatten selbst bei 1000 mg keine größeren Probleme. In der Kontrollgruppe bestanden dagegen maximal vier Prozent den Test.

Allerdings funktionierte die Methode nur bei Kindern und Jugendlichen. Erwachsene profitierten nicht davon. Zugleich litten fast alle Behandelten unter Nebenwirkungen. Meist waren die Beschwerden mild, doch immerhin 14 Prozent erlitten eine schwere allergische Reaktion, ein Patient sogar einen anaphylaktischen Schock, bei dem Atmung und Kreislauf zusammenbrechen können. Jeder Zehnte gab aufgrund der Nebenwirkungen vorzeitig auf.

"Keine schnelle Lösung"

Die Behandlung sei "keine schnelle Lösung und es heißt auch nicht, dass alle Betroffenen nun nach Belieben Erdnüsse essen können", sagt der Allergologe Jay Lieberman, einer der Studienautoren. Er hofft dennoch, dass die Behandlung im kommenden Jahr zugelassen wird. Die Untersuchung war eine sogenannte Phase-3-Studie, mit ihr wurde also die dritte und letzte Etappe der Medikamentenprüfung abgeschlossen.

In einem begleitenden Kommentar mahnt Micheal Perkin von der Universität London jedoch, dass noch nicht klar ist, wie lange die Schutzwirkung anhält. Möglicherweise müssten die Betroffenen permanent kleine Erdnussmengen essen. Gemessen an der Gefährlichkeit der Allergie jedoch wäre der Aufwand für diese Prophylaxe, wie es im Englischen so schön passend heißt: Peanuts.

Bislang gibt es keine Therapie gegen diese Form der Allergie. Betroffenen bleibt nur, Erdnüsse zu meiden. Um ihnen dies zu erleichtern, wird auf verarbeiteten Produkten vor den "Spuren von Erdnüssen" gewarnt. Allerdings vermuten Experten, dass sich manche Unternehmer mit diesem Hinweis lediglich absichern und die Warnung auch auf Produkte drucken, die nie mit Erdnüssen in Kontakt gekommen sind.

Für die Betroffenen ist eine verlässliche Deklaration wichtig. Schon kleine Mengen von Erdnüssen können Symptome auslösen. Sie reichen vom leichtem Kribbeln im Mund, über Bauchschmerzen, Erbrechen, allergischen Schnupfen, Asthma und Hautproblemen, bis hin zum Kreislaufstillstand. Es gibt sogar Fallberichte, wonach selbst winzigste Spuren, die beim Küssen auf die Haut übertragen worden, Allergien auslösten.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2018/sehe/hach
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