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Gesundheit:Auch wenig Alkohol kann das Gehirn schädigen

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Geringer Konsum könnte die geistige Leistungsfähigkeit mindern. Braucht es neue Empfehlungen für Höchstmengen?

Bereits moderater Alkoholkonsum kann das Gehirn schädigen und dessen Leistungen beeinträchtigen. In der nach eigenen Angaben bisher größten Studie zum Thema fanden Wissenschaftler der Universität Oxford einen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Eisenablagerungen in bestimmten Bereichen des Gehirns - auch bei Alkoholmengen, die für Fachgesellschaften noch als akzeptabel gelten. Die Eisenablagerungen gingen mit einer Abnahme der kognitiven Fähigkeiten einher, schreiben die Forscher im Fachmagazin Plos Medicine.

Dass übermäßiger Alkoholkonsum schädlich ist für den menschlichen Körper, ist längst erwiesen. Doch hat Alkohol auch in geringeren Dosen Einfluss auf die Gesundheit? Einige Studien kamen in der Vergangenheit zu dem Ergebnis, dass Alkohol - als Genussmittel in kleinen Mengen konsumiert - teils positive Auswirkungen haben kann. Anderen Untersuchungen zufolge können selbst moderate Mengen etwa die Gesundheit des Gehirns schädigen und zum Absterben von Nervenzellen führen. Die genauen Mechanismen, die dem zugrunde liegen, sind jedoch noch weitgehend unerforscht.

Eine Möglichkeit für die Neurodegeneration durch moderates Trinkverhalten könnten Eisenablagerungen im Gehirn sein. Neurologische Folgen von einem erhöhten Eisengehalt im Gehirn sind schon länger von Patienten mit erblich bedingten Eisenüberladungsstörungen bekannt. In jüngeren Studien werden sie mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson in Verbindung gebracht. Interessanterweise überschneidet sich das klinische Profil der alkoholbedingten Demenz mit diesen Erkrankungen. Zudem deuten neuere Beobachtungen darauf hin, dass auch eine Alkoholabhängigkeit zu Eisenanreicherungen führen kann. Ob es bei mäßigen Trinkern zu derartigen Ablagerungen kommt, ist bisher unklar.

Mit den erhöhten Eisenwerten ging eine verminderte kognitive Leistung der Studienteilnehmenden einher

Um dieser Frage nachzugehen, befragten die Forschenden um Anya Topiwala insgesamt 20 965 Frauen und Männer im Alter zwischen 40 und 69 Jahren nach ihrem Alkoholkonsum. Eisenwerte für das Gehirn und die Leber wurden per Magnetresonanztomografie-Aufnahmen (MRT) gemessen. Die Teilnehmenden wurden zudem einer Reihe von kognitiven Tests unterzogen, um Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Motorik, Erinnerungsvermögen und Logik zu erfassen.

Bereits ein wöchentlicher Alkoholkonsum von über 56 Gramm, welcher noch deutlich im Rahmen der in Großbritannien geltenden Richtlinien für "geringes Risiko" liegt, stand in sechs der sieben untersuchten Hirnregionen mit erhöhten Eisenwerten in Zusammenhang, erklären die Forschenden. Mit den erhöhten Eisenwerten ging eine verminderte kognitive Leistung der Studienteilnehmenden einher. In den Tests wiesen sie eine langsamere Reaktionsgeschwindigkeit sowie verminderte Aufmerksamkeit auf und konnten Logikrätsel schlechter lösen.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass schon mäßiger Alkoholkonsum den Eisenhaushalt des Körpers in ein Ungleichgewicht bringen kann. Eine Schwäche ihrer Studie sei, dass die Teilnehmenden ihren Alkoholkonsum selbst einschätzen mussten, schreibt das Team. Zudem wurde der Eisengehalt nur indirekt gemessen. Unklar bleibe auch, wie sich die Studienergebnisse auf andere, ethnisch diversere Bevölkerungsgruppen übertragen lassen.

In Deutschland empfiehlt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen Frauen, nicht mehr als zwölf Gramm Alkohol pro Tag zu trinken, zwei Tage sollten ganz alkoholfrei bleiben. Das entspricht einem Wert von höchstens 60 Gramm Alkohol pro Woche. Für Männer liegt der Wert bei 24 Gramm am Tag, also 120 Gramm in der Woche. Ähnlich lauten die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. 60 Gramm entsprechen etwa fünf kleinen Gläsern Wein oder fünf kleinen Bieren. Werden die Beobachtungen der britischen Studie durch weitere Untersuchungen bestätigt, können diese Mengen nicht mehr als risikoarm gelten.

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