Aidstests:Schmuddelkind der Prävention

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In Großbritannien darf sich jetzt jeder einen HIV-Test für den Hausgebrauch kaufen. Das birgt einige Fragen, aber auch eine Botschaft, die in Deutschland kaum angekommen ist: Aidstests sollten endlich salonfähig werden.

Ein Kommentar von Berit Uhlmann

Eine Viertelstunde Zeit zwischen Büro und Fitnessstudio? Da passt doch noch ein Aidstest rein. Kurz einen Tropfen Blut aus dem Finger auffangen, sich bequem auf der Couch zurücklehnen - nach 15 Minuten ist das Ergebnis da, und das ganze Set kann in den Müll entsorgt werden. So einfach sieht es jedenfalls im Werbevideo für einen Test aus, der seit wenigen Tagen in Großbritannien frei verkäuflich ist.

Die Briten sind die ersten in Europa, die einen HIV-Schnelltest für die Heimanwendung zulassen. Der Hersteller verspricht eine Zuverlässigkeit von 99,7 Prozent. Doch ob der Bluttest im Hausgebrauch tatsächlich so gut funktioniert, muss er erst beweisen. In den USA ist seit 2012 ein Speichel-Selbsttest erhältlich - und jedes zwölfte negative Ergebnis ist falsch. Die Betroffenen wiegen sich durch den Test also in falscher Sicherheit. Beide Testmethoden erkennen zudem nur jene Infizierten zuverlässig, deren Ansteckung mindesten drei Monate zurückliegen. Erst nach dieser Zeitspanne hat das Immunsystem genügend Antikörper gebildet, die im Test nachgewiesen werden. In dieser Zeit können die Betroffenen aber längst andere anstecken.

Über all das kann man schwer aufklären, wenn die Diagnose-Sets - wie in den USA und in Großbritannien der Fall - überwiegend online erhältlich sein werden. Werden zudem die Anleitungen wirklich gelesen und verstanden? Und ist die heimische Couch auch dann noch ein angenehmer Ort, wenn der Test positiv ausfällt? Heim-Tests einfach auf den Markt zu werfen, ist deshalb zu kurz gedacht. Doch ebenso fragwürdig wäre es, diese Möglichkeit kategorisch auszuschließen - wie hier in Deutschland. Denn es gibt ja Gründe, die für eine Diagnose daheim sprechen. Vor allem senkt sie die Hemmschwelle. Ärzte könnten sie Patienten gezielt empfehlen. Denkbar wäre auch eine Beratungspflicht der Apotheken.

Der größte Fortschritt aber wäre, wenn überhaupt öffentlich wieder über HIV-Tests gesprochen würde. Denn während für Kondome seit Jahren getrommelt wird, ist der Test noch immer das Schmuddelkind der Prävention. Verdächtig, wer sich ihm unterzieht. Schwangeren wird heute routinemäßig ein HIV-Test angeboten. Doch immer wieder erleben Frauen, dass die Analyse ohne Gespräch und deshalb auch ohne Einwilligung vorgenommen wird. Den Dialog über Aids wollen die Ärzte den Schwangeren wohl nicht zumuten. Zu heikel, zu unangenehm. Oder nicht so wichtig?

Das muss aufhören. So wie es heute weithin akzeptiert ist, seine Sexualpartner zu wechseln, sollte es auch selbstverständlich sein, einen Aids-Test vornehmen zu lassen. Wie nötig das ist, zeigt eine Schätzung des Robert-Koch-Instituts: In Deutschland leben 14 000 HIV-Positive, die nichts von ihrer Infektion wissen.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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