Heilung ist das Wort, das seit einiger Zeit Forscher, Betroffene und Öffentlichkeit elektrisiert. Schien es lange außerhalb jeder Realität zu liegen, dass HI-Viren komplett aus dem Körper eliminiert werden können, ist es nun zumindest denkbar. "Wir werden in den nächsten Jahren schneller eine Heilung als eine Impfung bekommen", sagte der Münchner Aids-Forscher Hans Jäger auf den Münchner Aids- und Hepatitis-Tagen, auf denen am Wochenende etwa 1500 Experten diskutierten.
Diese Einschätzung spricht allerdings zunächst einmal dafür, dass sich die Hoffnungen auf eine HIV-Impfung in den vergangen Jahren immer mehr trübten. Ein vierter Versuch blieb komplett erfolglos und wurde 2013 vorzeitig abgebrochen. Gleichzeitig mehrten sich Berichte über erste Heilungserfolge.
Doch nach wie vor gilt: Von den 35 Millionen HIV-infizierten Menschen dieser Welt ist nach offizieller Lesart nur ein einziger das Virus komplett losgeworden. Und diese Erfolgsgeschichte fußt auf einem außergewöhnlichen Glücksfall. Als bei Timothy Brown zusätzlich zu seiner Aidserkrankung auch Leukämie festgestellt wurde, bekam er Stammzellen von einem Spender übertragen, der aufgrund einer seltenen Genmutation immun gegen HIV ist. Brown, der als "Berliner Patient" in die Medizingeschichte einging, scheint diese Immunität geerbt zu haben. Sieben Jahre nach der ersten Transplantation sind bei ihm nach wie vor keinerlei HI-Viren mehr nachweisbar. "Eine Eradikation scheint also möglich", so Marcus Altfeld vom Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie.
Die Hoffnungen stiegen, als Ärzte aus Boston den Therapieerfolg zu wiederholen schienen. Auch sie hatten zwei HIV-Patienten mit Blutkrebs durch eine Stammzell-Transplantation behandelt. Zwar fehlte ihren Spendern die seltene Immunität. Die Mediziner hatten jedoch gehofft, durch antiretrovirale Medikamente eine Infektion der neu gebildeten Immunzellen von Anfang an verhindern und schließlich auf Medikamente verzichten zu können. Die Rechnung ging nicht auf. Bei einem der beiden Männer stieg die Viruslast bereits 80 Tage nach Absetzen der Medikamente wieder, beim zweiten nach etwa 200 Tagen. Beide brauchen heute erneut Medikamente.
Dies ist ein herber Rückschlag, vor allem wenn man den ausbleibenden Erfolg ins Verhältnis zu den Risiken der Behandlung setzt. Wie groß die Gefahren sind, zeigt das Schicksal eines dritten "Bostoner Patienten". Er verstarb an den Komplikationen der Stammzellspende.