Süddeutsche Zeitung

Aids-Therapie bei Neugeborenem:"Funktionelle Heilung" bestätigt sich

Der Fall hatte im Frühjahr für Furore gesorgt: Ein Baby sollte von seiner HIV-Infektion geheilt worden sein. Nun berichten seine Ärzte erneut über das Kind. Es ist noch immer ohne Krankheitszeichen.

Im März elektrisierte diese Meldung die Öffentlichkeit: US-Mediziner berichteten auf einer Konferenz, ein Baby von seiner HIV-Infektion befreit zu haben. Eine frühzeitige Gabe gleich mehrerer Medikamente habe das Virus unter die Nachweisgrenze gedrückt. Die Fachwelt war zunächst skeptisch: Der zunächst noch nicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publizierte Fall müsse erst noch beobachtet werden.

Nun ist weitere Zeit vergangen und das Schicksal des Mädchens hat es in eine der renommiertesten Fachzeitschriften der Welt gebracht. Im New England Journal of Medicine berichteten die Wissenschaftler, ein Jahr nach Absetzen der Medikamente seien keine Viren nachweisbar. Bei dem heute 30 Monate altem Kind aus dem Bundesstaat Mississippi könne von einer "funktionellen Heilung" gesprochen werden.

Das Mädchen, das im Mutterleib durch seine HIV-positive Mutter infiziert worden war, hatte 30 Stunden nach seiner Geburt gleich drei antiretrovirale Medikamente erhalten. Üblicherweise wird eine solche aggressive Kombinationstherapie erst im Alter von einem bis drei Monaten begonnen. Schon 29 Tage nach der Geburt seien bei dem Kind keine HI-Viren mehr nachweisbar gewesen.

Als das Mädchen 18 Monaten alt war, verloren die Ärzte fünf Monate lang den Kontakt zu der Patientin. Spätestens in dieser Zeit setzte die Mutter die Medikamente auf eigene Faust ab. Doch anders als erwartet kehrte das HI-Virus bis heute nicht zurück. Mittlerweile hat das Mädchen seit einem Jahr keine Medizin mehr genommen und zeigt dennoch keine Zeichen der Infektion.

Ein Zufall? Die Beobachtungen legen nahe, dass die Gesundheit des Kindes "wahrscheinlich das Ergebnis einer sehr frühzeitigen aggressiven antiviralen Therapie" sei, erklärte die Virologin Deborah Persaud von der Johns Hopkins Universität in Baltimore. Die Behandlung habe das HI-Virus daran gehindert, sich in den Abwehrzellen des Kindes einzunisten.

Umfangreiche Studie geplant

Auf der Grundlage dieser Beobachtungen soll nun Anfang 2014 eine durch US-Bundesmittel geförderte Studie starten, in der die frühzeitige aggressive Therapie bei Neugeborenen in größerem Umfang untersucht wird.

Obwohl eine Behandlung der schwangeren Mutter die Infektion des Babys in 98 Prozent der Fälle verhindert, kommen jährlich immer noch mehr als 260.000 Kinder zur Welt, die im Mutterleib mit HIV infiziert wurden. Besonders häufig sind die Fälle in Entwicklungsländern.

Bisher gilt einzig der US-Bürger Timothy Brown als geheilt von Aids. Er wurde in Berlin durch eine Knochenmarkstransplantation behandelt und ging als der "Berliner Patient" in die Medizingeschichte ein. Ein ähnliches Verfahren wurde auch bei zwei Patienten in Boston erprobt - mit bislang ermutigenden Ergebnissen. Alle drei Männer hatten die Knochenmarkspende jedoch nur erhalten, weil sie zusätzlich an Leukämie erkrankten. Eine Option für alle HIV-Infizierten ist die riskante und aufwändige Transplantation nicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1802773
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/AFP/beu/goro
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.