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Aids in Afrika:Verhütungsspritze erhöht HIV-Infektionsrisiko

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Das beliebteste Verhütungsmittel in Schwarzafrika verdoppelt das Risiko für Frauen, sich mit HI-Viren anzustecken. Und auch Männer leben gefährlicher, wenn ihre Partnerin mit Hormonen verhütet, warnen US-Wissenschaftler. Auch die Antibabypille steht unter Verdacht.

Die Hormonspritze zur Empfängnisverhütung sollte ein Segen für Frauen in Afrika sein. Alle drei Monate verabreicht ermöglicht sie Frauen ohne ständige ärztliche Aufsicht eine effektive Geburtenkontrolle. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Spritze inwischen das beliebteste Verhütungsmittel für Frauen in Schwarzafrika. Doch nun steht die Verhütungsspritze unter Verdacht, die Ansteckung mit dem HI-Virus zu begünstigen.

Wie die Wissenschaftler im Journal Lancet Infectious Diseases berichten, lag die Rate der Frauen, die sich infizierten, in der Dreimonatsspritzen-Gruppe bei 6,61 pro 100 Personenjahren, in der Vergleichsgruppe bei 3,78. Als Personenjahre bezeichnet man die Summe der Beobachtungszeit aller Versuchsteilnehmer. Für 100 Personenjahre können zum Beispiel 100 Personen über ein Jahr oder 50 Personen über zwei Jahre beobachtet werden.

Auch die Antibabypille erhöhte der Studie zufolge offenbar das Infektionsrisiko - allerdings war die Zahl der entsprechenden Teilnehmerinnen zu klein für eine seriöse Statistik.

In vielen Ländern Afrikas ist die Rate unerwünschter Schwangerschaften hoch und häufig kommt es zu gefährlichen und sogar tödlichen Komplikationen bei der Geburt. Umso größer ist die Bedeutung von Verhütungsmitteln. In Schwarzafrika setzen etwa zwölf Millionen Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren die Spritzen ein, berichtet die New York Times. Zwar werden die Mittel auch außerhalb Afrikas verwendet. Allerdings ist die Gefahr, dass sich Männer und Frauen gegenseitig anstecken, wegen der bereits jetzt weiten Verbreitung der Viren dort besonders hoch.

Auch Partner sind gefährdet

Neben dem Risiko für die Frauen selbst hatten die Spritzen offenbar auch Folgen für ihre Partner. Jene Studienteilnehmerinnen, die bereits infiziert waren und Antibabyspritzen verwendeten, steckten ihre Männer mit einer Rate von 2,61 auf 100 Personenjahre an - und damit erheblich häufiger an als Frauen, die nicht auf Hormone setzten. Hier lag die Infektionsrate bei 1,51 je 100 Personenjahre.

"Diese Ergebnisse haben eine große Bedeutung für die Familienplanung und die Programme zur Vorbeugung der HIV-Infektionen", erklärte Jared Beaten von der University of Washington, Seattle. "Insbesondere dort, wo die Viren bereits weitverbreitet sind."

Und wie Isobel Coleman vom amerikanischen Council on Foreign Relations der New York Times erklärte: "Die besten Verhütungsmittel sind heute Hormonspritzen, da man keinen Arzt braucht, ihre Wirkung lange anhält und die Frauen ohne viel Aufhebens und lange Reisen den Zeitrahmen einer Geburt bestimmen können." Sollte es aber stimmen, dass diese Mittel die Ausbreitung der Aids-Epidemie fördern, "dann haben wir es mit einer großen Gesundheitskrise zu tun".

Es wäre tragisch, wenn die Hormonspritzen die Aids-Epidemie fördern würden, kommentiert der US-Wissenschaftler Charles Morrison von Clinical Sciences, Durham, im Lancet. "Andererseits dürfte die Einschränkung einer der am häufigsten verwendeten Verhütungsmethoden in Schwarzafrika zu einer höheren Zahl von Todesfällen und Krankheiten unter werdenden Müttern, zu niedrigen Geburtsgewichten und mehr Waisen führen - was ebenfalls tragisch wäre", warnt der Mediziner. Dazu kommt, dass ausgerechnet eine Schwangerschaft das Risiko für HIV-Infektionen erhöht.

Bei der Weltgesundheitsorganisation WHO will man nun die Empfehlungen überprüfen, auf welche Weise Frauen in Afrika verhüten sollten. "Wir wollen sichergehen, dass wir warnen, wenn es wirklich notwendig ist, aber wir wollen kein voreiliges Urteil abgeben, das weitreichende, schwere Konsequenzen für die Gesundheit der Frauen haben wird", sagte WHO-Expertin Mary Lyn Gaffield der New York Times.

Auf jeden Fall, da sind sich die Wissenschaftler einig, sollte man neben der hormonellen Verhütung noch einmal den Einsatz von Kondomen betonen.

Warum die Hormonspritzen das Infektionsrisiko zu erhöhen scheinen, ist noch unklar. Dass die Paare aufgrund der Verhütung durch die Frau eher auf Kondome verzichteten, konnten die Forscher ausschließen. Möglicherweise wirken sich die verwendeten Substanzen auf das Immunsystem aus. Außerdem stellten die Forscher fest, dass sich bei Frauen, die die Spritzen einsetzten, mehr HI-Viren in der Genitalflüssigkeit befanden. Dadurch erhöht sich das Risiko für ihre Partner, sich zu infizieren.

Die Wissenschaftler hatten in den Jahren 2004 bis 2010 insgesamt 3790 Paare in Botswana, Kenia, Ruanda, Südafrika, Tansania, Uganda und Simbabwe untersucht und beobachtet. Jeweils ein Partner war bereits mit HIV infiziert.

Experten wie Charles Morrison fordern nun weitere Studien, um abschließend zu klären, wie groß das Risiko durch die hormonellen Verhütungsmittel ist.

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