Affenpocken:Wie ernst ist die Lage?

Affenpocken-Viren unter dem Elektronen-Mikroskop

Eingefärbte elektronenmikroskopische Aufnahme von Affenpocken-Viren.

(Foto: Andrea Männel/dpa)

Ein Expertengremium der WHO entscheidet darüber, ob die Fälle von Affenpocken einen internationalen Notfall darstellen.

Von Berit Uhlmann

Während die Zahl der Affenpocken-Infektionen weiter steigt, ringen Fachleute darum, den Ernst der Lage zu charakterisieren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte für Donnerstagnachmittag einen Expertenausschuss einberufen, der darüber befinden soll, ob die aktuelle Entwicklung einen internationalen Gesundheitsnotfall darstellt. Mit einer Entscheidung wird frühestens am Freitag gerechnet.

Die Ausrufung dieser "Notlage von internationaler Tragweite" ist der höchste Alarm, der der WHO derzeit zur Verfügung steht. Er wird geläutet, wenn ein Infektionsgeschehen neu oder unerwartet ist, wenn es eine Gefahr für mehr als ein Land darstellt und eine koordinierte internationale Antwort erfordern könnte. Die Einstufung eines Ausbruchs als Notfall soll die Aufmerksamkeit für das Geschehen erhöhen. Direkte Auswirkungen für die Bevölkerung hat die Einschätzung nicht. Parallel zu seiner Bewertung der Lage gibt das Expertengremium Empfehlungen zum weiteren Vorgehen gegen die jeweilige Erkrankung.

Bisher tagten Notfallgremien neun Mal, sechs Mal riefen sie den internationalen Alarm aus, darunter für zwei verschiedene Ebola-Ausbrüche. Aktuell gilt der Notfall-Status für die Corona-Pandemie sowie bereits seit 2014 für die Kinderlähmung, deren gelegentliche Fälle die Bemühungen zur Ausrottung der Krankheit gefährden.

Sowohl die einzelnen Entscheidungen der Notfallgremien als auch das Warnsystem an sich wurden in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. So befand das unabhängige Experten-Panel zur Bewertung der Corona-Pandemie, dass die WHO den Notfall nach der Entdeckung von Sars-CoV-2 zu spät ausrief. Als grundsätzlich ungünstig bemängeln Fachleute, dass die Regularien nur eine Alles-oder-nichts-Entscheidung erlauben. Sinnvoller wäre aus ihrer Sicht ein System, das mehrere Warnstufen bietet.

Knapp 600 Fälle in Deutschland registriert

Die Affenpocken verbreiten sich seit Anfang Mai in vielen Ländern vor allem in Europa. Bis Mitte Juni zählte die WHO mehr als 2100 Fälle in insgesamt 42 Staaten. Die Zahl ist zwischenzeitlich deutlich gestiegen. Am Mittwoch meldete die europäische Seuchenschutzbehörde mehr als 2700 Fälle allein für den europäischen Raum. In Deutschland sind bisher knapp 600 Erkrankungen aus nahezu allen Bundesländern registriert worden.

Das Geschehen ist zugleich ungewöhnlich. Neu ist, dass der Erreger in immer mehr Ländern zirkuliert, in denen er zuvor nicht verbreitet war. Bis vor Kurzem wurden die Affenpocken fast ausschließlich in Teilen Afrikas beobachtet; nur sehr selten wurden sie von dort auch in andere Regionen eingeschleppt. Diese Ausbrüche konnten stets recht schnell eingedämmt werden. Die weite Verbreitung lässt auch die Sorge wachsen, dass der Erreger neue tierische Wirte findet, von denen er dann wieder auf Menschen überspringen kann. Bisher aber gibt es keine Hinweise darauf.

Neu ist auch, dass viele Übertragungen offenbar durch sexuelle Aktivitäten, insbesondere zwischen homo- und bisexuellen Männern erfolgt sind. Das Virus wird durch engen Körperkontakt weitergegeben, es ist weniger ansteckend als Sars-CoV-2. Die meisten Fälle des aktuellen Ausbruchs verliefen bisher mild. Bis Mitte Juni wurde weltweit ein Todesfall berichtet.

Bislang schätzten sowohl WHO als auch das RKI und die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC das Gesundheitsrisiko für die breite Bevölkerung als gering ein. Global betrachtet, hält die WHO die Gefahr dagegen für moderat, da die Fälle sich über so viele Länder in unterschiedlichen Regionen erstrecken.

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