Ärztetag:Diagnose: Kein offenes Ohr

Es entsteht beträchtlicher Schaden, wenn Ärzte und Patienten nicht ausreichend verständlich miteinander sprechen. Der Ärztetag rügt die mangelnde Kommunikation - und benennt den üblichen Schuldigen.

Von Guido Bohsem, Frankfurt

Wer kennt das nicht? Vor einem sitzt der Doktor und erklärt die Krankheit, ihre Auswirkungen. Er erläutert die Therapie, die Nebenwirkungen. Der Patient leidet, er hat Schmerzen, macht sich Sorgen, und der Kopf ist leer. Stunden später dann fällt ihm ein, was er hätte sagen sollen, als es hieß: "Haben Sie noch Fragen?" Nach Untersuchungen bleiben diese Fragen bei etwa bei einem Viertel der Gespräche zwischen Ärzten und ihren Patienten offen. Häufig versteht der Patient noch nicht einmal die Diagnose richtig.

Das hat Folgen. Wenn Arzt und Patient sich nicht verstehen, läuft die Therapie schlechter, heilen Krankheiten nicht so gut. Die Patienten neigen dazu, die Ratschläge ihrer Mediziner zu missachten, die verordneten Pillen nicht zu nehmen. Compliance, heißt diese Mitarbeit der Patienten, und Studien haben ergeben, dass etwa 80 Prozent der Patienten nicht mitmachen, wenn der Arzt sie nicht einbindet oder der Patient glaubt, seine Anliegen nicht vorbringen zu können.

Schlimmer noch, ein Mangel an Vertrauen führt dazu, dass etwa die Hälfte der Probleme vom Arzt nicht erkannt werden. Die Patienten sprechen sie gar nicht erst an, wenn sie den Eindruck haben, der Arzt habe keine Zeit oder keine Geduld zuzuhören. Seit Langem wünschen sich die Patienten mehr Zeit für Gespräche mit ihrem Arzt. Doch sind die Mediziner überhaupt in der Lage, richtig zu kommunizieren?

Der Allgemeinmediziner und Psychotherapeut Ulrich Schwantes meint, seine Kollegen müssten besser werden und hat das seinen Kollegen auf dem Ärztetag in Frankfurt eindrücklich nahegelegt. Schon lange sei erkannt worden, dass die technologischen Aspekte des Berufs immer stärker in den Vordergrund rückten und daher auch das Verhältnis zwischen Arzt und Patient prägten, sagt Schwantes.

Viele Ärzte sähen sich geradezu dazu gezwungen, weil ihnen die Zeit fehle. Dennoch ermahnt Schwantes seine Kollegen, den Patienten ausreden zu lassen. "Ich habe in meinem Berufsleben noch keinen Patienten erlebt, der nicht innerhalb von zwei, drei Minuten erklären konnte, was ihn bedrückt. Die Zeit muss sein."

Den Medizinern fehlt meistens die Zeit für ein Patientengespräch

Auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hält eine gut funktionierende Kommunikation für entscheidend. Es sei eine Frage des Respekts vor den Patienten, dass Krankheit und Therapie verständlich erklärt würden: "Einen guten Arzt macht nicht nur sein Fachwissen aus, sondern auch menschliche Stärken, und dass er sich Zeit nimmt, um auf die Fragen und Ängste seines Patienten einzugehen."

Aus eigener Erfahrung weiß der Allgemeinmediziner Schwantes, dass eine solche Fähigkeit nicht jedem Arzt in die Wiege gelegt wurde. Deshalb gebe es seit Jahren Pflichtseminare an den medizinischen Fakultäten. Doch reiche das nicht aus. Es müsse eine Gesprächsausbildung geben, die auf das Wunschfach des Arztes zugeschnitten ist. "Der Onkologe wird anders mit seinen Patienten umgehen müssen als ein Orthopäde", sagt Schwantes und erntete damit die Zustimmung des Ärztetages.

Doch warum kommt es in der Praxis so wenig zum Gespräch? Nach Angaben vieler Ärztevertreter liegt das am Geld. Gespräche mit dem Patienten würden nicht so gut honoriert wie technische Untersuchungen, heißt es da. Andererseits: In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan. So weist die Kassenärztliche Bundesvereinigung darauf hin, dass Haus- und Kinderärzte ein Patientengespräch von zehn Minuten für viele Krankheiten abrechnen können. Rein rechnerisch können sie mit jedem zweiten Patienten einmal im Quartal ein solches Gespräch führen. Das Honorar beträgt neun Euro.

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